Wie Markierungen das Überholverhalten beeinflussen: Pilotprojekte in Salzburg

Vielerorts sind richtlinienkonforme breite Radverkehrsanlagen aufgrund der gegebenen Straßenbreiten nicht möglich. Mangels geeigneter Ausweichrouten bleiben diese Straßenabschnitte aber ein Bestandteil des Radnetzes und benötigen verbesserte Sicherheit für Radfahrende. Lösungen dafür werden aktuell im „Reallabor Nußdorferstraße“ des urbanen Mobilitätslabors zukunftswege.at und im Forschungsprojekt „MZSFreiland“ von Salzburg Research und con.sens mobilitätsdesign erprobt und beforscht. Mitte Mai wurden die ersten Markierungen aufgebracht!

Ein zentrales Ergebnis aus dem Forschungsprojekt RADBEST, über das wir hier berichtet hatten, lautet: Die Straßeninfrastruktur muss „deutlicher sprechen“, um das Verhalten von Kfz-Lenkenden positiv zu beeinflussen. Sichtbare und klar verständliche Markierungen wie Sharrows, großflächige Fahrradpiktogramme oder breite Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn tragen dazu bei, dass mehr seitlicher Abstand zu Radfahrenden eingehalten wird. Dieses Ergebnis wird nun schon in einer ersten Testanordnung in der Stadt Salzburg erprobt.

Reallabor Nußdorferstraße: Mehrzweckstreifen und Sharrows

Mit dem Reallabor Nußdorferstraße testet das urbane Mobilitätslabor zukunftswege.at nun in Kooperation mit Salzburg Research und con.sens mobilitätsdesign im Auftrag von Stadt und Land Salzburg, wie sich unterschiedliche Bodenmarkierungen auf den Überholabstand zwischen Kfz und Radfahrenden auswirken. Ziel ist es, auf ausgewählten Abschnitten die im Projekt RADBEST empfohlenen Radverkehrsführungen praktisch zu erproben. Dabei wird mit dem Forschungsfahrrad Holoscene Bike erhoben, wie sich unterschiedliche Markierungen auf das Überholverhalten von Kfz-Lenkenden auswirken.

Radkompetenz-Mitglied con.sens übernimmt dabei die verkehrsplanerische Konzeption und begleitet die Umsetzung des Reallabors. Die Ergebnisse sollen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Planungsabteilung der Stadt Salzburg liefern, um künftige Radverkehrsmaßnahmen gezielt an den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit auszurichten. Eine Veröffentlichung der Resultate ist ab November 2025 geplant.

Markierungsarbeiten

Aufbringen der neuen Markierungen für das Reallabor Nußdorferstraße (Foto: Salzburg Research/wildbild/Herbert Rohrer)

Testbetrieb in zwei Abschnitten und Phasen

Im Verlauf der Nußdorferstraße sollen auf den Abschnitten zwischen der Kreuzung Bräuhausstraße und dem Kreisverkehr Moosstraße bis zur Kreuzung mit der Leopoldskronstraße die im Projekt RADBEST empfohlenen Radverkehrsführungen getestet werden: 2 m breite Mehrzweckstreifen mit Radpiktogrammen sowie Sharrows und flächige rote Markierungen. Dabei wird die Nußdorferstraße in zwei Testabschnitte unterteilt: Abschnitt 1 reicht von der Kreuzung Bräuhausstraße bis zum Kreisverkehr Moosstraße; Abschnitt 2 reicht vom Kreisverkehr Moosstraße bis zur Kreuzung mit der Leopoldskronstraße.

Karte

Abschnitt 1: Bodenmarkierung mit Mehrzweckstreifen

Zwischen Moosstraße und Bräuhausstraße werden für die erste Teststellung ab Mai 2025 Mehrzweckstreifen mit 2 Metern Breite und Radpiktogrammen angebracht. In der Mitte der Fahrbahn bleibt eine Kernfahrbahn mit einer Breite von 3 m. Die zweite Teststellung ab August 2025 ergänzt die bereits angebrachten Mehrzweckstreifen und Radpiktogramme noch um rote Blockmarkierungen.

Abschnitt 2 Grafik

Abschnitt 2: Bodenmarkierung mit Piktogrammen und Sharrows

Im ersten Zeitabschnitt ab Mai 2025 wird die Wirkung von großen Radpiktogrammen und sogenannten Sharrows auf die Verkehrssicherheit getestet, die im Abstand von ca. 25 m auf die Fahrbahn aufgebracht werden. Auch hier ergänzen rote Blockmarkierungen die bereits angebrachten Radpiktogramme und Sharrows ab August 2025.

Abschnitt 1 Grafik

An das internationale Konzept der „2 minus 1 road“ angelehnt

QuerschnittMit den breiten Mehrzweckstreifen und schmaler Kernfahrbahn wird ein Konzept angewandt, das an die sogenannte „2 minus 1 road“ Fahrbahnaufteilung erinnert, die im Benelux-Raum und Teilen von Skandinavien schon angewandt wird. Die Bodenmarkierungen in Salzburg sollen den Verkehrsteilnehmer:innen signalisieren, dass der Bereich der Radfahrenden 2 m vom Straßenrand in Richtung Fahrbahnmitte reicht. Kfz sollen diesen Bereich grundsätzlich mitbenutzen, beim Überholvorgang jedoch ausreichend weit nach links ausweichen und damit ein sicheres Überholen gewährleisten.

Die Testmarkierungen bedeuten für Autofahrende im Grunde keine Änderung: ohne Gegenverkehr können Radfahrende wie bisher überholt werden, bei Kfz-Gegenverkehr ist es zum Überholen zu eng und Pkw bleiben dahinter. Die Markierungen sollen eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für Radfahrende bewirken – nämlich größere Abstände beim Überholen und weniger riskante Überholmanöver.

Mehr Informationen dazu bei zukunftswege.at

 MZSFreiland: Radverkehrsführung auf Freilandstraßen neu gedacht

Im Forschungsprojekt MZSFreiland – Optimierung der Radinfrastruktur wird unter der Leitung von Salzburg Research in Kooperation mit con.sens verkehrsplanung und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) untersucht, wie der Radverkehr auf Freilandstraßen sicher und effizient geführt werden kann. Anders als im städtischen Reallabor Nußdorferstraße liegt der Fokus hier auf ländlichen Bereichen, in denen baulich getrennte Radwege als Standardlösung oft schwer umsetzbar sind – etwa aufgrund topografischer Gegebenheiten oder begrenztem Seitenraum. Die Studie testet daher den Einsatz von Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn als alternative Lösung. Dabei wird auch in diesem Projekt mithilfe des Holoscene Bikes, das wir hier präsentiert haben, die objektive Sicherheit dieser Radverkehrsführung analysiert.

Holoscene

Datenaufzeichnung mit dem Holoscene Bike in Umlandgemeinden, © Salzburg Research

Obwohl internationale Studien den Erfolg solcher Konzepte der „2 minus 1 roads“ für den Bereich zwischen Siedlungsräumen bereits belegen, ist ihr Einsatz in Österreich aktuell noch eingeschränkt: Laut den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) 03.02.13 dürfen Mehrzweckstreifen mit einer reduzierten Kernfahrbahn (weniger als 4,5 Meter Breite) nur bei einer maximal zulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h eingesetzt werden. Somit ist ihre Anwendung auf Freilandstraßen derzeit nicht zulässig.

MZSFreiland verfolgt das Ziel, auf Basis der empirischen Ergebnisse entsprechende Anwendungsgrenzen, Umsetzungspotenziale sowie Vor- und Nachteile von Mehrzweckstreifen mit reduzierter Kernfahrbahn auf Freilandstraßen in Österreich abzuleiten. Darauf aufbauend werden Handlungsempfehlungen für die Anwendung bzw. Nicht-Anwendung sowie Änderungsvorschläge für Richtlinien und Vorschriften in Österreich formuliert.

Kontakt für Rückfragen

Salzburg Research, Cornelia Zankl, cornelia.zankl@salzburgresearch.at

Abbildungen: Boréal Bikes, Salzburg Research/wildbild/Herbert Rohrer, Zukunftswege

Veröffentlicht am: 29. Mai 2025Kategorien: Forschung & Projekte, Planung & ConsultingSchlagwörter: , ,

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Vielerorts sind richtlinienkonforme breite Radverkehrsanlagen aufgrund der gegebenen Straßenbreiten nicht möglich. Mangels geeigneter Ausweichrouten bleiben diese Straßenabschnitte aber ein Bestandteil des Radnetzes und benötigen verbesserte Sicherheit für Radfahrende. Lösungen dafür werden aktuell im „Reallabor Nußdorferstraße“ des urbanen Mobilitätslabors zukunftswege.at und im Forschungsprojekt „MZSFreiland“ von Salzburg Research und con.sens mobilitätsdesign erprobt und beforscht. Mitte Mai wurden die ersten Markierungen aufgebracht!

Ein zentrales Ergebnis aus dem Forschungsprojekt RADBEST, über das wir hier berichtet hatten, lautet: Die Straßeninfrastruktur muss „deutlicher sprechen“, um das Verhalten von Kfz-Lenkenden positiv zu beeinflussen. Sichtbare und klar verständliche Markierungen wie Sharrows, großflächige Fahrradpiktogramme oder breite Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn tragen dazu bei, dass mehr seitlicher Abstand zu Radfahrenden eingehalten wird. Dieses Ergebnis wird nun schon in einer ersten Testanordnung in der Stadt Salzburg erprobt.

Reallabor Nußdorferstraße: Mehrzweckstreifen und Sharrows

Mit dem Reallabor Nußdorferstraße testet das urbane Mobilitätslabor zukunftswege.at nun in Kooperation mit Salzburg Research und con.sens mobilitätsdesign im Auftrag von Stadt und Land Salzburg, wie sich unterschiedliche Bodenmarkierungen auf den Überholabstand zwischen Kfz und Radfahrenden auswirken. Ziel ist es, auf ausgewählten Abschnitten die im Projekt RADBEST empfohlenen Radverkehrsführungen praktisch zu erproben. Dabei wird mit dem Forschungsfahrrad Holoscene Bike erhoben, wie sich unterschiedliche Markierungen auf das Überholverhalten von Kfz-Lenkenden auswirken.

Radkompetenz-Mitglied con.sens übernimmt dabei die verkehrsplanerische Konzeption und begleitet die Umsetzung des Reallabors. Die Ergebnisse sollen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Planungsabteilung der Stadt Salzburg liefern, um künftige Radverkehrsmaßnahmen gezielt an den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit auszurichten. Eine Veröffentlichung der Resultate ist ab November 2025 geplant.

Markierungsarbeiten

Aufbringen der neuen Markierungen für das Reallabor Nußdorferstraße (Foto: Salzburg Research/wildbild/Herbert Rohrer)

Testbetrieb in zwei Abschnitten und Phasen

Im Verlauf der Nußdorferstraße sollen auf den Abschnitten zwischen der Kreuzung Bräuhausstraße und dem Kreisverkehr Moosstraße bis zur Kreuzung mit der Leopoldskronstraße die im Projekt RADBEST empfohlenen Radverkehrsführungen getestet werden: 2 m breite Mehrzweckstreifen mit Radpiktogrammen sowie Sharrows und flächige rote Markierungen. Dabei wird die Nußdorferstraße in zwei Testabschnitte unterteilt: Abschnitt 1 reicht von der Kreuzung Bräuhausstraße bis zum Kreisverkehr Moosstraße; Abschnitt 2 reicht vom Kreisverkehr Moosstraße bis zur Kreuzung mit der Leopoldskronstraße.

Karte

Abschnitt 1: Bodenmarkierung mit Mehrzweckstreifen

Zwischen Moosstraße und Bräuhausstraße werden für die erste Teststellung ab Mai 2025 Mehrzweckstreifen mit 2 Metern Breite und Radpiktogrammen angebracht. In der Mitte der Fahrbahn bleibt eine Kernfahrbahn mit einer Breite von 3 m. Die zweite Teststellung ab August 2025 ergänzt die bereits angebrachten Mehrzweckstreifen und Radpiktogramme noch um rote Blockmarkierungen.

Abschnitt 2 Grafik

Abschnitt 2: Bodenmarkierung mit Piktogrammen und Sharrows

Im ersten Zeitabschnitt ab Mai 2025 wird die Wirkung von großen Radpiktogrammen und sogenannten Sharrows auf die Verkehrssicherheit getestet, die im Abstand von ca. 25 m auf die Fahrbahn aufgebracht werden. Auch hier ergänzen rote Blockmarkierungen die bereits angebrachten Radpiktogramme und Sharrows ab August 2025.

Abschnitt 1 Grafik

An das internationale Konzept der „2 minus 1 road“ angelehnt

QuerschnittMit den breiten Mehrzweckstreifen und schmaler Kernfahrbahn wird ein Konzept angewandt, das an die sogenannte „2 minus 1 road“ Fahrbahnaufteilung erinnert, die im Benelux-Raum und Teilen von Skandinavien schon angewandt wird. Die Bodenmarkierungen in Salzburg sollen den Verkehrsteilnehmer:innen signalisieren, dass der Bereich der Radfahrenden 2 m vom Straßenrand in Richtung Fahrbahnmitte reicht. Kfz sollen diesen Bereich grundsätzlich mitbenutzen, beim Überholvorgang jedoch ausreichend weit nach links ausweichen und damit ein sicheres Überholen gewährleisten.

Die Testmarkierungen bedeuten für Autofahrende im Grunde keine Änderung: ohne Gegenverkehr können Radfahrende wie bisher überholt werden, bei Kfz-Gegenverkehr ist es zum Überholen zu eng und Pkw bleiben dahinter. Die Markierungen sollen eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für Radfahrende bewirken – nämlich größere Abstände beim Überholen und weniger riskante Überholmanöver.

Mehr Informationen dazu bei zukunftswege.at

 MZSFreiland: Radverkehrsführung auf Freilandstraßen neu gedacht

Im Forschungsprojekt MZSFreiland – Optimierung der Radinfrastruktur wird unter der Leitung von Salzburg Research in Kooperation mit con.sens verkehrsplanung und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) untersucht, wie der Radverkehr auf Freilandstraßen sicher und effizient geführt werden kann. Anders als im städtischen Reallabor Nußdorferstraße liegt der Fokus hier auf ländlichen Bereichen, in denen baulich getrennte Radwege als Standardlösung oft schwer umsetzbar sind – etwa aufgrund topografischer Gegebenheiten oder begrenztem Seitenraum. Die Studie testet daher den Einsatz von Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn als alternative Lösung. Dabei wird auch in diesem Projekt mithilfe des Holoscene Bikes, das wir hier präsentiert haben, die objektive Sicherheit dieser Radverkehrsführung analysiert.

Holoscene

Datenaufzeichnung mit dem Holoscene Bike in Umlandgemeinden, © Salzburg Research

Obwohl internationale Studien den Erfolg solcher Konzepte der „2 minus 1 roads“ für den Bereich zwischen Siedlungsräumen bereits belegen, ist ihr Einsatz in Österreich aktuell noch eingeschränkt: Laut den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) 03.02.13 dürfen Mehrzweckstreifen mit einer reduzierten Kernfahrbahn (weniger als 4,5 Meter Breite) nur bei einer maximal zulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h eingesetzt werden. Somit ist ihre Anwendung auf Freilandstraßen derzeit nicht zulässig.

MZSFreiland verfolgt das Ziel, auf Basis der empirischen Ergebnisse entsprechende Anwendungsgrenzen, Umsetzungspotenziale sowie Vor- und Nachteile von Mehrzweckstreifen mit reduzierter Kernfahrbahn auf Freilandstraßen in Österreich abzuleiten. Darauf aufbauend werden Handlungsempfehlungen für die Anwendung bzw. Nicht-Anwendung sowie Änderungsvorschläge für Richtlinien und Vorschriften in Österreich formuliert.

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Salzburg Research, Cornelia Zankl, cornelia.zankl@salzburgresearch.at

Abbildungen: Boréal Bikes, Salzburg Research/wildbild/Herbert Rohrer, Zukunftswege

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