Forschungsprojekt VERA: Welche Maßnahmen erhöhen den Radverkehr?

Die Wirkungsabschätzung von Radverkehrsmaßnahmen stellt eine zentrale Herausforderung in der Verkehrsplanung dar. Das Forschungsprojekt VERA, das als Kooperation der Radkompetenz-Mitglieder Universität Salzburg und Herry Consult mit der Technischen Universität Dresden und dem Unternehmen EBP Schweiz AG durchgeführt wurde, hat sich mit dieser Fragestellung beschäftigt. Die wichtigste Erkenntnis der Studie: Nichts fördert den Radverkehr besser als neu gebaute Radwege! An zweiter Stelle folgt die Öffnung von Einbahnen, also eine sehr kosteneffiziente Maßnahme. Nun ist ein Leitfaden verfügbar, der bei der Einschätzung von Wirksamkeiten hilft.
VERA-Leitfaden als Planungshilfe für Radinfrastruktur-Maßnahmen
Bisherige Methoden zur Wirkungsabschätzung basieren oft auf datenintensiven mathematischen Modellen oder einzelnen Expert:innenschätzungen. In VERA wurden durch eine Kombination aus Literaturrecherche, Expert:innenbefragungen und empirischen Untersuchungen zuverlässige Antworten gesucht und gleichzeitig der Datenbedarf minimiert. Zentrales Ergebnis ist der gewonnene Leitfaden, der Entscheidungsträger:innen eine fundierte Grundlage für die Gestaltung einer effizienten Radverkehrsinfrastruktur bietet.
Für die Planung und Umsetzung neuer Radwege oder Verbesserungen bestehender Radverkehrsanlagen ist es entscheidend, den zu erwartenden Verlagerungseffekt der jeweiligen Maßnahmen im Vorfeld abschätzen zu können. Der VERA-Leitfaden bietet Entscheidungsträger:innen in der DACH-Region hierfür ein methodisches Instrument zur Abschätzung dieser Verlagerungen. Er verfolgt das Ziel, praktische und leicht umsetzbare Lösungen für die Planung von Radverkehrsmaßnahmen bereitzustellen, die sowohl große Städte als auch kleinere Gemeinden anwenden können. Dadurch sollen die verfügbaren finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden können und eine evidenzbasierte Grundlage für Interessenskonflikte geschaffen werden.
Empirische Erkenntnisse aus Millionen aufgezeichneter Radfahrten
Damit VERA Aussagen mit hoher Relevanz und Verlässlichkeit treffen kann, basieren die Erkenntnisse des Projekts auf einer Kombination aus Literaturanalyse, Expert:innenkonsultation und empirischer Analyse. Die empirische Analyse besteht aus mehreren Millionen aufgezeichneter Radfahrten (Trajektorien), zusätzlich wurden Daten aus stationären Zählstellendaten und Mobilitätserhebungen gesammelt. In Zusammenarbeit mit Kommunen und Regionen wurden die Wirkungen von Maßnahmen dann analysiert und mit den Ergebnissen aus Literatur und Expert:innenbefragung kombiniert, sodass eine systematische und datenbasierte Evaluierung stattfinden konnte. So eine Art der Datenerfassung ist für den DACH-Raum neu, da bisherige Maßnahmen-Evaluierungen eher auf einzelnen Expert:innenschätzungen basierten.
Neubau von Radwegen als wirkungsstärkste Maßnahme
Aus den Ergebnissen ging folgende Wirkungsmatrix hervor, in der die Wirkung verschiedener Maßnahmen aufgezeigt wird:
Matrix aus den Konsultationen der 169 Expert:innen zu den Wirkungen der Maßnahmen
Diese Wirkungsmatrix findet sich auch im Leitfaden und kann z.B. herangezogen werden, wenn keine strukturierten Vorher-/Nachher-Messdaten bei Maßnahmenimplementierungen vorliegen. Außerdem wurden für die Feststellung der Wirkungsstärke von Maßnahmen auf Basis der empirischen Analyse zwei Modelle entwickelt. Daraus lässt sich ableiten, dass
- der Neubau von Radwegen den Radverkehr um 70 % erhöht
- die Öffnung von Einbahnen um 56 %
- die Sanierung des Belags um 48 %
- der Ausbau des bestehenden Radwegenetzes um 37 % und
- die Markierung von Radverkehrsanlagen um 36 %.
Abgesehen von Einzelmaßnahmen haben Maßnahmenbündel als Teil einer umfassenden Strategie jedoch den stärksten Effekt.
Die folgende Abbildung zeigt die über die Literaturanalyse und Expert:innenbefragung abgeleiteten Annahmen zum Verlagerungseffekt vom Pkw auf das Fahrrad (Anteil an den zusätzlichen Radwegen, die zuvor mit dem Pkw unternommen wurden) unterschieden nach Maßnahmenart.
Verlagerungseffekte zum Fahrrad je nach Maßnahme
In vier Schritten zu mehr Radverkehr
Das Kernstück des Projekts ist der Leitfaden, welcher testweise bereits in mehreren Gemeinden überprüft. Nun steht er als methodisches Instrument für Entscheidungsträger:innen zur Verfügung. Der Leitfaden umfasst vier aufeinander aufbauende Schritte. Je nach Datenverfügbarkeit (ausgedrückt durch Level A, B, C) wird das Radverkehrsaufkommen am Ort der Maßnahmenimplementierung gemessen bzw. geschätzt (Schritt 1). Im zweiten Schritt wird das Verlagerungspotenzial der unterschiedlichen Maßnahmen für den Radverkehr ermittelt. Das Verlagerungspotenzial zeigt auf, um welchen Faktor sich die Radverkehrszahlen am Ort der Maßnahme durch die jeweilige Maßnahme erhöhen. Aus der Menge der verlagerten Wege wird der KFZ-Anteil geschätzt (Schritt 3). Aus diesen verlagerten Wegen lassen sich im vierten Schritt schließlich die zu erwartenden Emissionsreduktionen durch eingesparte PKW-Kilometer ableiten.
Um die Effekte der Radverkehrsmaßnahmen zu maximieren, empfiehlt der Leitfaden verschiedene Begleitmaßnahmen wie qualitativ hochwertige Abstellanlagen, Informationen zu Radfahrrouten, Reparatur- und Wartungsmöglichkeiten oder Vernetzung mit dem öffentlichen Verkehr. Außerdem wird empfohlen, die Gebietskörperschaften durch Anreize dazu zu motivieren, in die Datenerhebung und -bereitstellung zu investieren. Eine kontinuierliche Erhebung des Radverkehrsaufkommens ist in der DACH-Region bisher noch nicht üblich. Durch eine verbesserte Datenlage könnte die Methode des VERA-Projekts noch erweitert werden.
Download des Ergebnisberichts inklusive Leitfaden hier
Laufzeit des Projektes war November 2022 bis Oktober 2024
Alle Abbildungen stammen aus dem VERA Ergebnisbericht. Rendering: ZoomVP/Fahrrad Wien
Mehr von den Radkompetenz-Mitgliedern in diesem Artikel:
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VERA-Leitfaden als Planungshilfe für Radinfrastruktur-Maßnahmen
Bisherige Methoden zur Wirkungsabschätzung basieren oft auf datenintensiven mathematischen Modellen oder einzelnen Expert:innenschätzungen. In VERA wurden durch eine Kombination aus Literaturrecherche, Expert:innenbefragungen und empirischen Untersuchungen zuverlässige Antworten gesucht und gleichzeitig der Datenbedarf minimiert. Zentrales Ergebnis ist der gewonnene Leitfaden, der Entscheidungsträger:innen eine fundierte Grundlage für die Gestaltung einer effizienten Radverkehrsinfrastruktur bietet.
Für die Planung und Umsetzung neuer Radwege oder Verbesserungen bestehender Radverkehrsanlagen ist es entscheidend, den zu erwartenden Verlagerungseffekt der jeweiligen Maßnahmen im Vorfeld abschätzen zu können. Der VERA-Leitfaden bietet Entscheidungsträger:innen in der DACH-Region hierfür ein methodisches Instrument zur Abschätzung dieser Verlagerungen. Er verfolgt das Ziel, praktische und leicht umsetzbare Lösungen für die Planung von Radverkehrsmaßnahmen bereitzustellen, die sowohl große Städte als auch kleinere Gemeinden anwenden können. Dadurch sollen die verfügbaren finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden können und eine evidenzbasierte Grundlage für Interessenskonflikte geschaffen werden.
Empirische Erkenntnisse aus Millionen aufgezeichneter Radfahrten
Damit VERA Aussagen mit hoher Relevanz und Verlässlichkeit treffen kann, basieren die Erkenntnisse des Projekts auf einer Kombination aus Literaturanalyse, Expert:innenkonsultation und empirischer Analyse. Die empirische Analyse besteht aus mehreren Millionen aufgezeichneter Radfahrten (Trajektorien), zusätzlich wurden Daten aus stationären Zählstellendaten und Mobilitätserhebungen gesammelt. In Zusammenarbeit mit Kommunen und Regionen wurden die Wirkungen von Maßnahmen dann analysiert und mit den Ergebnissen aus Literatur und Expert:innenbefragung kombiniert, sodass eine systematische und datenbasierte Evaluierung stattfinden konnte. So eine Art der Datenerfassung ist für den DACH-Raum neu, da bisherige Maßnahmen-Evaluierungen eher auf einzelnen Expert:innenschätzungen basierten.
Neubau von Radwegen als wirkungsstärkste Maßnahme
Aus den Ergebnissen ging folgende Wirkungsmatrix hervor, in der die Wirkung verschiedener Maßnahmen aufgezeigt wird:
Matrix aus den Konsultationen der 169 Expert:innen zu den Wirkungen der Maßnahmen
Diese Wirkungsmatrix findet sich auch im Leitfaden und kann z.B. herangezogen werden, wenn keine strukturierten Vorher-/Nachher-Messdaten bei Maßnahmenimplementierungen vorliegen. Außerdem wurden für die Feststellung der Wirkungsstärke von Maßnahmen auf Basis der empirischen Analyse zwei Modelle entwickelt. Daraus lässt sich ableiten, dass
- der Neubau von Radwegen den Radverkehr um 70 % erhöht
- die Öffnung von Einbahnen um 56 %
- die Sanierung des Belags um 48 %
- der Ausbau des bestehenden Radwegenetzes um 37 % und
- die Markierung von Radverkehrsanlagen um 36 %.
Abgesehen von Einzelmaßnahmen haben Maßnahmenbündel als Teil einer umfassenden Strategie jedoch den stärksten Effekt.
Die folgende Abbildung zeigt die über die Literaturanalyse und Expert:innenbefragung abgeleiteten Annahmen zum Verlagerungseffekt vom Pkw auf das Fahrrad (Anteil an den zusätzlichen Radwegen, die zuvor mit dem Pkw unternommen wurden) unterschieden nach Maßnahmenart.
Verlagerungseffekte zum Fahrrad je nach Maßnahme
In vier Schritten zu mehr Radverkehr
Das Kernstück des Projekts ist der Leitfaden, welcher testweise bereits in mehreren Gemeinden überprüft. Nun steht er als methodisches Instrument für Entscheidungsträger:innen zur Verfügung. Der Leitfaden umfasst vier aufeinander aufbauende Schritte. Je nach Datenverfügbarkeit (ausgedrückt durch Level A, B, C) wird das Radverkehrsaufkommen am Ort der Maßnahmenimplementierung gemessen bzw. geschätzt (Schritt 1). Im zweiten Schritt wird das Verlagerungspotenzial der unterschiedlichen Maßnahmen für den Radverkehr ermittelt. Das Verlagerungspotenzial zeigt auf, um welchen Faktor sich die Radverkehrszahlen am Ort der Maßnahme durch die jeweilige Maßnahme erhöhen. Aus der Menge der verlagerten Wege wird der KFZ-Anteil geschätzt (Schritt 3). Aus diesen verlagerten Wegen lassen sich im vierten Schritt schließlich die zu erwartenden Emissionsreduktionen durch eingesparte PKW-Kilometer ableiten.
Um die Effekte der Radverkehrsmaßnahmen zu maximieren, empfiehlt der Leitfaden verschiedene Begleitmaßnahmen wie qualitativ hochwertige Abstellanlagen, Informationen zu Radfahrrouten, Reparatur- und Wartungsmöglichkeiten oder Vernetzung mit dem öffentlichen Verkehr. Außerdem wird empfohlen, die Gebietskörperschaften durch Anreize dazu zu motivieren, in die Datenerhebung und -bereitstellung zu investieren. Eine kontinuierliche Erhebung des Radverkehrsaufkommens ist in der DACH-Region bisher noch nicht üblich. Durch eine verbesserte Datenlage könnte die Methode des VERA-Projekts noch erweitert werden.
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