Österreichweite Umfrage: Großes Potenzial fürs Transportrad
Die Ergebnisse der ersten repräsentativen Befragung in Österreich zum Thema Transportrad liegen vor. Das Ziel der Umfrage mit 1.511 Teilnehmer:innen ist es, Potenziale für eine stärkere Nutzung dieser emissionsfreien Familienfahrzeuge zu identifizieren und die Einstellungen und Bedürfnisse der Österreicher:innen zu verstehen. Denn 77% der privaten Logistikwege* könnten mit (E-)Transporträdern zurückgelegt werden. Dafür fehlen aber noch die Verbreitung und Nutzungsbereitschaft in Österreich. Das Förderprojekt „HAUSRAD“ des KlimaEntLaster-Teams nimmt sich dieser Herausforderung an. Es wird vom Klima- und Energiefonds finanziert und besteht aus TU Wien move, Factum, Die Radvokat:innen, Energy Climate und dem Radkompetenz-Mitglied quadratic.
Ergebnisse der Befragung
Die Befragung wurde 2023 von GfK Marktforschung durchgeführt und von Lukas Tanzer und Aurelia Kammerhofer von TU Wien move ausgewertet. Einen ausführlichen Ergebnisbericht finden Sie hier zum download, wir bringen die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Die Umfrage fokussierte auf Inhalte zur generellen Alltagsmobilität und spezifischen Themen rund um das Transportrad. Weiters wurden soziodemographische, sozioökonomische und psychologische Dimensionen erhoben. Die gesammelten Daten sind Österreich-repräsentativ nach Alter, Geschlecht, Region und Wohnortgröße. Dadurch bietet der erhobene Datensatz eine Momentaufnahme, die es erlaubt die gegenwärtigen Anforderungen zur Transportradnutzung in Österreich möglichst genau abzubilden und die potentiellen Zielgruppen für das Transportrad auf die aktuelle österreichische Gesamtbevölkerung hochzurechnen.
Als grundlegende Frage wurden die Teilnehme:innen gebeten, sich bezüglich ihrer Absichten einzuordnen, ein Transportrad zu nutzen. Diese Bereitschaft zur Nutzung kann in unterschiedliche Stufen der Verhaltensänderung unterschieden werden:
Prozessschritte der Verhaltensänderung. (Eigene Darstellung TU Wien nach Bamberg 2012)
Wie hoch ist die Bereitschaft zur Transportradnutzung?
Die gute Nachricht: eine halbe Million Österreicher:innen bzw. 6,4% würden generell gerne ein Transportrad nutzen – sie wissen aber noch nicht genau wie. Die Verfügbarkeit von Transportrad-Verleih auch außerhalb der größeren Städte, verbesserte Informationen zur Zugänglichkeit von Transportrad-Angeboten und weitere Verbreitung von Test- und Kaufmöglichkeiten werden entscheidend sein, ob diese Zielgruppe für das Transportrad zu gewinnen ist. Weitere 1,5% haben bereits die feste Absicht, ein Transportrad zu nutzen, und 0,7% bzw. hochgerechnet rund 56.000 Österreicher:innen nutzen bereits Transporträder – das kann als Besitzer:in oder durch Sharing oder Verleih geschehen.
Ein Zehntel fühlt sich momentan nicht dazu in der Lage, ein Transportrad zu nutzen. Der Abbau von Barrieren für die Transportradnutzung stellt eine Möglichkeit dar, diese Personengruppen längerfristig zu einem Umdenken anzustoßen. So geben einige dieser Personen auch an, dass sie nicht wissen, wo sie Transporträder testen, nutzen oder ausleihen könnten. Weiters gaben Teilnehmer:innen in dieser Gruppe am häufigsten an, sich das Transportradfahren nicht zuzutrauen und bemängelten den Radwegausbau. Durch entsprechende Informationen zu Transportrad-Sharing-Angeboten sowie verbesserte Radinfrastruktur könnten diese selbstwahrgenommenen Barrieren abgebaut werden.
Die Bereitschaft der Österreicher:innen das Transportrad in den Alltag zu integrieren (1.511 Befragte)
Österreichweit geben 33,2% der Befragten an, sich noch keine Gedanken zur Transportradnutzung gemacht zu haben. Dadurch könnte in dieser Gruppe längerfristig betrachtet Potenzial liegen, durch Bewusstseinsbildung und Testmöglichkeiten für Transporträdern zur Transportradnutzung motiviert zu werden. Knapp die Hälfte der Befragten sieht bei dieser Fragestellung keinen Anwendungsbedarf für ein Transportrad. Bei der Frage nach der präferierten Art der Transportradnutzung ergibt sich dann eine knappe Mehrheit für die Transportradnutzung: 52% möchten entweder im Sharing, im privaten Umfeld oder durch Kauf oder Abo auf ein Transportrad zugreifen können:
Bevorzugte Transportrad-Nutzungsformen (1.511 Befragte)
Die beliebteste Nutzungsform ist das Ausleihen eines Transportrads entweder im Familien- oder Bekanntenkreis (14,6%) oder als Sharing-Bike bei einer Verleihstation (16,6%). Sharing-Angebote eignen sich insbesondere bei nicht täglicher Nutzung und bedeuten für die Nutzenden keinen Aufwand. Jene Nutzer:innengruppe, die Transportrad-Sharing präferiert, zeichnet sich durch einen erhöhten Anteil an Frauen, ein eher junges bis mittleres Alter und einen höheren formalen Bildungsabschluss aus.
Rund jede fünfte Person bevorzugt den eigenen Besitz eines Transportrads. Diese Gruppe ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an Männern, ein eher junges bis mittleres Alter sowie einen hohen formalen Bildungsgrad. Mit 1,7% stellen Abonnements die am wenigsten beliebteste Form der Transportradnutzung in Österreich dar. Der niedrige Anteil lässt sich auch dadurch erklären, dass es in Österreich noch keine Abo-Angebote für Transporträder wie z.B. in Deutschland gibt. Daher wird KlimaEntLaster im Rahmen des HAUSRAD Projekts ein Abo-Angebot in zwei Pilotgemeinden testen.
Was denken Österreicher:innen über Transporträder?
Positive oder negative Einstellung zu Transporträdern stellen einen starken Einfluss auf die Offenheit zur Transportradnutzung dar. Dazu wurden unterschiedliche Aspekte wie Gesundheit, Kosten- und Zeiteffizienz, Komfort, Beitrag zum Umweltschutz aber auch Spaß und Vorbildwirkung oder Alltag ohne Auto von den Teilnehmenden bewertet.
Einstellungen zum Transportrad (1.511 Befragte)
Insgesamt stimmen die meisten Österreicher:innen zu, dass Transportradfahren die Gesundheit fördert. Entgegen der oft als hoch eingestuften Anschaffungskosten von Transporträdern stimmen dreiviertel der Befragten zu, dass Transportradfahren kosteneffizient sei. Hingegen empfindet nur jede:r fünfte Teilnehmer:in das Transportrad als zeiteffizient.
Das Viertel der Teilnehmer:innen mit den positivsten Einstellungen zum Transportrad setzt sich im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt aus mehr Frauen und mehr Personen mit höherem Bildungsabschluss zusammen. Weiters wohnen die Transportrad-Befürworter:innen eher im städtischen Umfeld. Der Altersdurchschnitt ist jedoch nahezu ident zum österreichischen Durchschnitt – das heißt in allen Altersgruppen gibt es Personen mit positiver Wahrnehmung von Transporträdern.
Was hindert Österreicher:innen daran, ein Transportrad zu nutzen?
Der Ausbau der Radinfrastruktur und deren Eignung für die Transportradnutzung sind ein wichtiger Aspekt zur Förderung der Transportradnutzung in Österreich. Denn nur jede:r vierte Österreicher:in empfindet die Radwege in der eigenen Umgebung als ausreichend ausgebaut. Für rund die Hälfte aller Österreicher:innen stellen wiederum lange Alltagsstrecken eine Hürde der Transportradnutzung – und damit wohl auch generell der Fahrradnutzung – dar. Fast ein Viertel ist sich unsicher oder traut sich das Transportradfahren nicht zu. Hier spielen vermutlich gesundheits- und altersbedingte Aspekte eine Rolle, insbesondere aber Unsicherheit beim Radfahren.
Die wahrgenommenen Barrieren der Transportrad-Nutzung (1.408 Befragte, die nie Transportrad fahren)
Als weitere Barriere geben 60% der Österreicher:innen an, nicht zu wissen, wo sie ein Transportrad testen oder nutzen können. Dies deutet auf fehlende Verfügbarkeit von Transportrad-Handel und Sharing-Angeboten hin. Transportrad-Sharing ist in Österreich am ehesten in Wien (rund 30 Räder auf graetzlrad.wien) den Landeshauptstädten (z.B. Lara in Graz mit 15 Rädern) oder in einzelnen Gemeinden verfügbar (vor allem via radverteiler.at mit insgesamt 90 Transporträdern). In Vorarlberg bietet fairvelo.at sechs Räder an. Gesamt sind ungefähr 130 Transporträder österreichweit im Sharing verfügbar. Im Vergleich dazu hat alleine die Stadt Regensburg 130 Sharing-Transporträder, Berlin sogar über 500 Stück.
2,5 Millionen Österreicher:innen wollen Transportrad-Tests
Wie groß das Potenzial für Testangebote in Österreich wäre, zeigt das Drittel der Teilnehmenden – also hochgerechnet rund 2,5 Millionen Österreicher:innen – die ein generelles Interesse bekunden, ein Transportrad auszuprobieren.
Interesse an der Transportradnutzung (1.511 Befragte)
Die Gruppe der Test-Interessierten setzte sich mehrheitlich aus Personen im Alter von 16 bis 59 Jahren zusammen. Im Vergleich zu den Altersgruppen im österreichischen Durchschnitt zeigt sich, dass jüngere Gruppen also klar überrepräsentiert sind, wenn es um das Interesse an Transporträdern geht. Hinsichtlich des Bildungsgrads weisen Transportradinteressierte einen höheren formalen Bildungsabschluss auf im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt.
Wofür würden Österreicher:innen ein Transportrad nutzen?
Als häufigste Antwort geben die Befragten an, dass sie das Transportrad für Einkaufswege nutzen würden. Als zweithäufigste Nutzung werden Wege in der Freizeit genannt, darunter insbesondere Ausflüge ins Grüne. Diese Angaben spiegeln sich auch in Befragungen von Transportradnutzer:innen in vorangehenden KlimaEntLaster-Projekten, wobei hierbei auch Kinder- sowie Transport sperriger Güter und Entsorgungsfahrten relevante Nutzungszwecke darstellen.
Wofür Österreicher:innen ein Transportrad nutzen würden (1.481 Befragte, die nie oder selten ein Transportrad nutzen)
Welche Rahmenbedingungen sind wichtig?
Rund zwei Drittel der Befragten geben den weitere Ausbau von Radwegen als wichtige Priorität an, um Transportradnutzung zu begünstigen. Passende Abstellmöglichkeiten am Wohnort und im öffentlichen Raum stellen eine weitere Grundvoraussetzung dar. Die Verfügbarkeit von kostenfreien Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum wurde jedoch als weniger relevant eingestuft. Mehr als 38% der Österreicher:innen, die gerne ein Transportrad besitzen würden, nennen Ankaufförderungen durch die öffentliche Hand als wichtige Voraussetzung.
Flexible Sharing-Angebote wie jene von radverteiler erreichen die Zielgruppe.
An Transportrad-Sharing Interessierte legen Wert auf die Möglichkeit, Fahrzeuge auch spontan reservieren zu können, einen Verleihstandort in maximal 5-10 Gehminuten entfernt vom Wohnstandort erreichen zu können sowie auf einen einfachen Registrierungsprozess. Als weniger wichtig wird bei Sharing-Services hingegen die spezielle Ausstattung der Transporträder und eine Transportbox-Ladekapazität von mehr als 100kg empfunden.
Merkmale der potenziellen Nutzer:innen: Alter, Kinder, Mobilität, Bildung
Aus den Analysen der Ergebnisse lassen sich bestimmte Nutzer:innengruppen mit besonders hohem Potenzial für zukünftige Transportradnutzung definieren. Dabei spielt das Alter eine wichtige Rolle. Insgesamt würde jede:r fünfte Österreicher:in zwischen 30-59 Jahren gerne im Alltag ein Transportrad nutzen, aber nur 13% in der Altersgruppe 16-29 Jahre. Bei Teilnehmer:innen über 60 Jahren würden nur 14% gerne ein Transportrad nutzen, da ein Großteil keinen Anwendungsbedarf sieht.
Das Mobilitätsverhalten der Befragten wirkt sich ebenfalls stark auf die mögliche Transportradnutzung aus. Von jenen Österreicher:innen, die sich im Alltag beinahe ausschließlich im Auto fortbewegen, würden nur jede:r Zehnte ein Transportrad im Alltag nutzen. Unter den Befragten, die ihre Wege primär mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem (E-)Fahrrad oder multimodal zurücklegen, gibt hingegen jede:r Fünfte an, gerne ein Transportrad nutzen zu wollen.
In Haushalten mit mindestens einem Kind ist der Anteil der Personen höher, die gerne ein Transportrad nutzen würden als bei kinderlosen Haushalten. Hinsichtlich der formalen Bildung ist die Offenheit zu Transporträdern besonders ausgeprägt bei Österreicher*innen mit höheren Abschlüssen. Dementsprechend würden 21% der Österreicher:innen mit Abschlüssen bei Hochschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) gerne ein Transportrad im Alltag nutzen. Bei Befragten mit Pflichtschule, Lehre und berufsbildenden mittleren Schulen als höchsten Abschluss sind es lediglich 13%.
Der Wohnort in städtischen oder ländlichen Raumtypen hat ebenfalls klare Auswirkungen auf die Offenheit zur Transportradnutzung. Insgesamt würden 29% der Österreichischen Bewohner:innen in regionalen Zentren und städtischen Einzugsgebieten gerne ein Transportrad nutzen. Bei Bewohner:innen in ländlichen Gebieten sind es hingegen nur 19%.
Fazit: die Zielgruppen für einen Transportrad-Boom in Österreich
Bestimmte Gruppen weisen also mehr Offenheit für Transportradnutzung auf und sind am einfachsten für Transportrad-Dienstleistungen zu aktivieren. Zu ihnen gehören Personen, die in ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten bereits multimodal unterwegs sind, einen höheren formalen Bildungsabschluss haben sowie in Haushalten mit Kindern leben. Die Personen sind meist zwischen 29 und 59 Jahren alt, weisen bereits eine häufigere Radnutzung im Alltag auf und nehmen Barrieren zur Transportradnutzung nur mäßig relevant wahr.
So wie diese Familie in Freistadt kann die vielversprechende Zielgruppe aussehen.
Die Befragung zeigt: 15% der Personen über 16 Jahren würden gerne Transportrad fahren, wissen aber nicht wie oder fühlen sich nicht in der Lage. Das bedeutet, dass bis zu 1.155.000 Menschen in Österreich durch Informieren, Bestärken, Testen Radkurse und Modellberatung zu Sharing, Abo, Leasing oder Kauf von Transporträdern zu bewegen wären.
Weniger einfach zu aktivieren sind Personengruppen, die sich noch nicht ausreichend Gedanken zur Transportradnutzung gemacht haben. Hier könnte aber besonderes Potenzial für Bewusstseinsarbeit, Testangebote und Information liegen. Zu diesen Personengruppen gehören auch Personen, die in ihrem momentanen Alltag noch primär Autos nutzen. Als besonders schwer zu aktivierende Gruppen werden jene beschrieben, die keinen Bedarf für eine Transportradnutzung im Alltag zu haben, darunter vermehrt Senior:innen oder Personen mit hohem Auto-Anteil im ländlichen Raum und Haushalte ohne Kinder in städtischen Einzugsgebieten.
Praxiserfahrungen aus KlimaEntLaster zeigen aber auch, dass vereinzelt Senior:innen für die Transportradnutzung begeistert werden und Vorbildwirkung für andere Personen haben können.
Hintergrundinformation zum Forschungsprojekt
Das KlimaEntLaster-Projekt HAUSRAD zielt darauf ab, neue Mobilitätsangebote mit dem Transportrad zu konzipieren, die auf die Anforderungen unterschiedlicher Zielgruppen Rücksicht nehmen und einfach in den Alltag integrierbar sind. Ziel ist es, flexibel nutzbare, zuverlässige, klimafreundliche und sozial-inklusive Mobilitätsangebote mit dem Transportrad zu entwickeln.
Aufbauend auf die Befragung erfolgen tiefergehende qualitative Interviews mit potenziellen Nutzer:innen sowie die Konzeption von neuen Angeboten mit und um das Transportrad. Dazu wurden in den zwei Pilotorten (Amstetten und St. Andrä/Wördern) Testtage und Workshops mit interessierten Bürger:innen durchgeführt. Im nächsten Schritt werden diese Inputs durch das Projektteam zu Neuen Mobilitätsdienstleistungen (NMDL) weiterentwickelt und in den Pilotorten getestet. Auf dieser Basis werden Umsetzungsmodelle für auf Transportrad basierende NMDL erarbeitet.
Download eines umfassenden Ergebnisberichts (PDF, 2023) der TU Wien move
Datenquellen: Befragung 1.511 Personen über 16 Jahren; Basis zur Hochrechnung: 7.705.127 Österreicher:innen über 16 Jahren, Statistik Austria, 1.1.2023.
*Studienergebnis EU-Projekt Cycle Logistics
Fotos: Peter Provaznik | Grafiken: TU Wien move, Die Radvokat:innen
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Die Ergebnisse der ersten repräsentativen Befragung in Österreich zum Thema Transportrad liegen vor. Das Ziel der Umfrage mit 1.511 Teilnehmer:innen ist es, Potenziale für eine stärkere Nutzung dieser emissionsfreien Familienfahrzeuge zu identifizieren und die Einstellungen und Bedürfnisse der Österreicher:innen zu verstehen. Denn 77% der privaten Logistikwege* könnten mit (E-)Transporträdern zurückgelegt werden. Dafür fehlen aber noch die Verbreitung und Nutzungsbereitschaft in Österreich. Das Förderprojekt „HAUSRAD“ des KlimaEntLaster-Teams nimmt sich dieser Herausforderung an. Es wird vom Klima- und Energiefonds finanziert und besteht aus TU Wien move, Factum, Die Radvokat:innen, Energy Climate und dem Radkompetenz-Mitglied quadratic.
Ergebnisse der Befragung
Die Befragung wurde 2023 von GfK Marktforschung durchgeführt und von Lukas Tanzer und Aurelia Kammerhofer von TU Wien move ausgewertet. Einen ausführlichen Ergebnisbericht finden Sie hier zum download, wir bringen die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Die Umfrage fokussierte auf Inhalte zur generellen Alltagsmobilität und spezifischen Themen rund um das Transportrad. Weiters wurden soziodemographische, sozioökonomische und psychologische Dimensionen erhoben. Die gesammelten Daten sind Österreich-repräsentativ nach Alter, Geschlecht, Region und Wohnortgröße. Dadurch bietet der erhobene Datensatz eine Momentaufnahme, die es erlaubt die gegenwärtigen Anforderungen zur Transportradnutzung in Österreich möglichst genau abzubilden und die potentiellen Zielgruppen für das Transportrad auf die aktuelle österreichische Gesamtbevölkerung hochzurechnen.
Als grundlegende Frage wurden die Teilnehme:innen gebeten, sich bezüglich ihrer Absichten einzuordnen, ein Transportrad zu nutzen. Diese Bereitschaft zur Nutzung kann in unterschiedliche Stufen der Verhaltensänderung unterschieden werden:
Prozessschritte der Verhaltensänderung. (Eigene Darstellung TU Wien nach Bamberg 2012)
Wie hoch ist die Bereitschaft zur Transportradnutzung?
Die gute Nachricht: eine halbe Million Österreicher:innen bzw. 6,4% würden generell gerne ein Transportrad nutzen – sie wissen aber noch nicht genau wie. Die Verfügbarkeit von Transportrad-Verleih auch außerhalb der größeren Städte, verbesserte Informationen zur Zugänglichkeit von Transportrad-Angeboten und weitere Verbreitung von Test- und Kaufmöglichkeiten werden entscheidend sein, ob diese Zielgruppe für das Transportrad zu gewinnen ist. Weitere 1,5% haben bereits die feste Absicht, ein Transportrad zu nutzen, und 0,7% bzw. hochgerechnet rund 56.000 Österreicher:innen nutzen bereits Transporträder – das kann als Besitzer:in oder durch Sharing oder Verleih geschehen.
Ein Zehntel fühlt sich momentan nicht dazu in der Lage, ein Transportrad zu nutzen. Der Abbau von Barrieren für die Transportradnutzung stellt eine Möglichkeit dar, diese Personengruppen längerfristig zu einem Umdenken anzustoßen. So geben einige dieser Personen auch an, dass sie nicht wissen, wo sie Transporträder testen, nutzen oder ausleihen könnten. Weiters gaben Teilnehmer:innen in dieser Gruppe am häufigsten an, sich das Transportradfahren nicht zuzutrauen und bemängelten den Radwegausbau. Durch entsprechende Informationen zu Transportrad-Sharing-Angeboten sowie verbesserte Radinfrastruktur könnten diese selbstwahrgenommenen Barrieren abgebaut werden.
Die Bereitschaft der Österreicher:innen das Transportrad in den Alltag zu integrieren (1.511 Befragte)
Österreichweit geben 33,2% der Befragten an, sich noch keine Gedanken zur Transportradnutzung gemacht zu haben. Dadurch könnte in dieser Gruppe längerfristig betrachtet Potenzial liegen, durch Bewusstseinsbildung und Testmöglichkeiten für Transporträdern zur Transportradnutzung motiviert zu werden. Knapp die Hälfte der Befragten sieht bei dieser Fragestellung keinen Anwendungsbedarf für ein Transportrad. Bei der Frage nach der präferierten Art der Transportradnutzung ergibt sich dann eine knappe Mehrheit für die Transportradnutzung: 52% möchten entweder im Sharing, im privaten Umfeld oder durch Kauf oder Abo auf ein Transportrad zugreifen können:
Bevorzugte Transportrad-Nutzungsformen (1.511 Befragte)
Die beliebteste Nutzungsform ist das Ausleihen eines Transportrads entweder im Familien- oder Bekanntenkreis (14,6%) oder als Sharing-Bike bei einer Verleihstation (16,6%). Sharing-Angebote eignen sich insbesondere bei nicht täglicher Nutzung und bedeuten für die Nutzenden keinen Aufwand. Jene Nutzer:innengruppe, die Transportrad-Sharing präferiert, zeichnet sich durch einen erhöhten Anteil an Frauen, ein eher junges bis mittleres Alter und einen höheren formalen Bildungsabschluss aus.
Rund jede fünfte Person bevorzugt den eigenen Besitz eines Transportrads. Diese Gruppe ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an Männern, ein eher junges bis mittleres Alter sowie einen hohen formalen Bildungsgrad. Mit 1,7% stellen Abonnements die am wenigsten beliebteste Form der Transportradnutzung in Österreich dar. Der niedrige Anteil lässt sich auch dadurch erklären, dass es in Österreich noch keine Abo-Angebote für Transporträder wie z.B. in Deutschland gibt. Daher wird KlimaEntLaster im Rahmen des HAUSRAD Projekts ein Abo-Angebot in zwei Pilotgemeinden testen.
Was denken Österreicher:innen über Transporträder?
Positive oder negative Einstellung zu Transporträdern stellen einen starken Einfluss auf die Offenheit zur Transportradnutzung dar. Dazu wurden unterschiedliche Aspekte wie Gesundheit, Kosten- und Zeiteffizienz, Komfort, Beitrag zum Umweltschutz aber auch Spaß und Vorbildwirkung oder Alltag ohne Auto von den Teilnehmenden bewertet.
Einstellungen zum Transportrad (1.511 Befragte)
Insgesamt stimmen die meisten Österreicher:innen zu, dass Transportradfahren die Gesundheit fördert. Entgegen der oft als hoch eingestuften Anschaffungskosten von Transporträdern stimmen dreiviertel der Befragten zu, dass Transportradfahren kosteneffizient sei. Hingegen empfindet nur jede:r fünfte Teilnehmer:in das Transportrad als zeiteffizient.
Das Viertel der Teilnehmer:innen mit den positivsten Einstellungen zum Transportrad setzt sich im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt aus mehr Frauen und mehr Personen mit höherem Bildungsabschluss zusammen. Weiters wohnen die Transportrad-Befürworter:innen eher im städtischen Umfeld. Der Altersdurchschnitt ist jedoch nahezu ident zum österreichischen Durchschnitt – das heißt in allen Altersgruppen gibt es Personen mit positiver Wahrnehmung von Transporträdern.
Was hindert Österreicher:innen daran, ein Transportrad zu nutzen?
Der Ausbau der Radinfrastruktur und deren Eignung für die Transportradnutzung sind ein wichtiger Aspekt zur Förderung der Transportradnutzung in Österreich. Denn nur jede:r vierte Österreicher:in empfindet die Radwege in der eigenen Umgebung als ausreichend ausgebaut. Für rund die Hälfte aller Österreicher:innen stellen wiederum lange Alltagsstrecken eine Hürde der Transportradnutzung – und damit wohl auch generell der Fahrradnutzung – dar. Fast ein Viertel ist sich unsicher oder traut sich das Transportradfahren nicht zu. Hier spielen vermutlich gesundheits- und altersbedingte Aspekte eine Rolle, insbesondere aber Unsicherheit beim Radfahren.
Die wahrgenommenen Barrieren der Transportrad-Nutzung (1.408 Befragte, die nie Transportrad fahren)
Als weitere Barriere geben 60% der Österreicher:innen an, nicht zu wissen, wo sie ein Transportrad testen oder nutzen können. Dies deutet auf fehlende Verfügbarkeit von Transportrad-Handel und Sharing-Angeboten hin. Transportrad-Sharing ist in Österreich am ehesten in Wien (rund 30 Räder auf graetzlrad.wien) den Landeshauptstädten (z.B. Lara in Graz mit 15 Rädern) oder in einzelnen Gemeinden verfügbar (vor allem via radverteiler.at mit insgesamt 90 Transporträdern). In Vorarlberg bietet fairvelo.at sechs Räder an. Gesamt sind ungefähr 130 Transporträder österreichweit im Sharing verfügbar. Im Vergleich dazu hat alleine die Stadt Regensburg 130 Sharing-Transporträder, Berlin sogar über 500 Stück.
2,5 Millionen Österreicher:innen wollen Transportrad-Tests
Wie groß das Potenzial für Testangebote in Österreich wäre, zeigt das Drittel der Teilnehmenden – also hochgerechnet rund 2,5 Millionen Österreicher:innen – die ein generelles Interesse bekunden, ein Transportrad auszuprobieren.
Interesse an der Transportradnutzung (1.511 Befragte)
Die Gruppe der Test-Interessierten setzte sich mehrheitlich aus Personen im Alter von 16 bis 59 Jahren zusammen. Im Vergleich zu den Altersgruppen im österreichischen Durchschnitt zeigt sich, dass jüngere Gruppen also klar überrepräsentiert sind, wenn es um das Interesse an Transporträdern geht. Hinsichtlich des Bildungsgrads weisen Transportradinteressierte einen höheren formalen Bildungsabschluss auf im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt.
Wofür würden Österreicher:innen ein Transportrad nutzen?
Als häufigste Antwort geben die Befragten an, dass sie das Transportrad für Einkaufswege nutzen würden. Als zweithäufigste Nutzung werden Wege in der Freizeit genannt, darunter insbesondere Ausflüge ins Grüne. Diese Angaben spiegeln sich auch in Befragungen von Transportradnutzer:innen in vorangehenden KlimaEntLaster-Projekten, wobei hierbei auch Kinder- sowie Transport sperriger Güter und Entsorgungsfahrten relevante Nutzungszwecke darstellen.
Wofür Österreicher:innen ein Transportrad nutzen würden (1.481 Befragte, die nie oder selten ein Transportrad nutzen)
Welche Rahmenbedingungen sind wichtig?
Rund zwei Drittel der Befragten geben den weitere Ausbau von Radwegen als wichtige Priorität an, um Transportradnutzung zu begünstigen. Passende Abstellmöglichkeiten am Wohnort und im öffentlichen Raum stellen eine weitere Grundvoraussetzung dar. Die Verfügbarkeit von kostenfreien Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum wurde jedoch als weniger relevant eingestuft. Mehr als 38% der Österreicher:innen, die gerne ein Transportrad besitzen würden, nennen Ankaufförderungen durch die öffentliche Hand als wichtige Voraussetzung.
Flexible Sharing-Angebote wie jene von radverteiler erreichen die Zielgruppe.
An Transportrad-Sharing Interessierte legen Wert auf die Möglichkeit, Fahrzeuge auch spontan reservieren zu können, einen Verleihstandort in maximal 5-10 Gehminuten entfernt vom Wohnstandort erreichen zu können sowie auf einen einfachen Registrierungsprozess. Als weniger wichtig wird bei Sharing-Services hingegen die spezielle Ausstattung der Transporträder und eine Transportbox-Ladekapazität von mehr als 100kg empfunden.
Merkmale der potenziellen Nutzer:innen: Alter, Kinder, Mobilität, Bildung
Aus den Analysen der Ergebnisse lassen sich bestimmte Nutzer:innengruppen mit besonders hohem Potenzial für zukünftige Transportradnutzung definieren. Dabei spielt das Alter eine wichtige Rolle. Insgesamt würde jede:r fünfte Österreicher:in zwischen 30-59 Jahren gerne im Alltag ein Transportrad nutzen, aber nur 13% in der Altersgruppe 16-29 Jahre. Bei Teilnehmer:innen über 60 Jahren würden nur 14% gerne ein Transportrad nutzen, da ein Großteil keinen Anwendungsbedarf sieht.
Das Mobilitätsverhalten der Befragten wirkt sich ebenfalls stark auf die mögliche Transportradnutzung aus. Von jenen Österreicher:innen, die sich im Alltag beinahe ausschließlich im Auto fortbewegen, würden nur jede:r Zehnte ein Transportrad im Alltag nutzen. Unter den Befragten, die ihre Wege primär mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem (E-)Fahrrad oder multimodal zurücklegen, gibt hingegen jede:r Fünfte an, gerne ein Transportrad nutzen zu wollen.
In Haushalten mit mindestens einem Kind ist der Anteil der Personen höher, die gerne ein Transportrad nutzen würden als bei kinderlosen Haushalten. Hinsichtlich der formalen Bildung ist die Offenheit zu Transporträdern besonders ausgeprägt bei Österreicher*innen mit höheren Abschlüssen. Dementsprechend würden 21% der Österreicher:innen mit Abschlüssen bei Hochschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) gerne ein Transportrad im Alltag nutzen. Bei Befragten mit Pflichtschule, Lehre und berufsbildenden mittleren Schulen als höchsten Abschluss sind es lediglich 13%.
Der Wohnort in städtischen oder ländlichen Raumtypen hat ebenfalls klare Auswirkungen auf die Offenheit zur Transportradnutzung. Insgesamt würden 29% der Österreichischen Bewohner:innen in regionalen Zentren und städtischen Einzugsgebieten gerne ein Transportrad nutzen. Bei Bewohner:innen in ländlichen Gebieten sind es hingegen nur 19%.
Fazit: die Zielgruppen für einen Transportrad-Boom in Österreich
Bestimmte Gruppen weisen also mehr Offenheit für Transportradnutzung auf und sind am einfachsten für Transportrad-Dienstleistungen zu aktivieren. Zu ihnen gehören Personen, die in ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten bereits multimodal unterwegs sind, einen höheren formalen Bildungsabschluss haben sowie in Haushalten mit Kindern leben. Die Personen sind meist zwischen 29 und 59 Jahren alt, weisen bereits eine häufigere Radnutzung im Alltag auf und nehmen Barrieren zur Transportradnutzung nur mäßig relevant wahr.
So wie diese Familie in Freistadt kann die vielversprechende Zielgruppe aussehen.
Die Befragung zeigt: 15% der Personen über 16 Jahren würden gerne Transportrad fahren, wissen aber nicht wie oder fühlen sich nicht in der Lage. Das bedeutet, dass bis zu 1.155.000 Menschen in Österreich durch Informieren, Bestärken, Testen Radkurse und Modellberatung zu Sharing, Abo, Leasing oder Kauf von Transporträdern zu bewegen wären.
Weniger einfach zu aktivieren sind Personengruppen, die sich noch nicht ausreichend Gedanken zur Transportradnutzung gemacht haben. Hier könnte aber besonderes Potenzial für Bewusstseinsarbeit, Testangebote und Information liegen. Zu diesen Personengruppen gehören auch Personen, die in ihrem momentanen Alltag noch primär Autos nutzen. Als besonders schwer zu aktivierende Gruppen werden jene beschrieben, die keinen Bedarf für eine Transportradnutzung im Alltag zu haben, darunter vermehrt Senior:innen oder Personen mit hohem Auto-Anteil im ländlichen Raum und Haushalte ohne Kinder in städtischen Einzugsgebieten.
Praxiserfahrungen aus KlimaEntLaster zeigen aber auch, dass vereinzelt Senior:innen für die Transportradnutzung begeistert werden und Vorbildwirkung für andere Personen haben können.
Hintergrundinformation zum Forschungsprojekt
Das KlimaEntLaster-Projekt HAUSRAD zielt darauf ab, neue Mobilitätsangebote mit dem Transportrad zu konzipieren, die auf die Anforderungen unterschiedlicher Zielgruppen Rücksicht nehmen und einfach in den Alltag integrierbar sind. Ziel ist es, flexibel nutzbare, zuverlässige, klimafreundliche und sozial-inklusive Mobilitätsangebote mit dem Transportrad zu entwickeln.
Aufbauend auf die Befragung erfolgen tiefergehende qualitative Interviews mit potenziellen Nutzer:innen sowie die Konzeption von neuen Angeboten mit und um das Transportrad. Dazu wurden in den zwei Pilotorten (Amstetten und St. Andrä/Wördern) Testtage und Workshops mit interessierten Bürger:innen durchgeführt. Im nächsten Schritt werden diese Inputs durch das Projektteam zu Neuen Mobilitätsdienstleistungen (NMDL) weiterentwickelt und in den Pilotorten getestet. Auf dieser Basis werden Umsetzungsmodelle für auf Transportrad basierende NMDL erarbeitet.
Download eines umfassenden Ergebnisberichts (PDF, 2023) der TU Wien move
Datenquellen: Befragung 1.511 Personen über 16 Jahren; Basis zur Hochrechnung: 7.705.127 Österreicher:innen über 16 Jahren, Statistik Austria, 1.1.2023.
*Studienergebnis EU-Projekt Cycle Logistics
Fotos: Peter Provaznik | Grafiken: TU Wien move, Die Radvokat:innen