Fahrradstraßen im Burgenland als Chance für den ländlichen Raum

Neben der bisher dominierenden Verwendung von Fahrradstraßen im urbanen Kontext eröffnen sich im ländlichen Raum ganz neue Anwendungsfelder zur Schaffung attraktiver Radverkehrsnetze. Anfang 2024 gab es etwa 80 Kilometer dieser Straßen in den Bundesländern. Unsere Radkompetenz-Mitglieder Mobilitätszentrale Burgenland und Radlobby geben einen Einblick in das Instrument ländlicher Fahrradstraßen am Beispiel Burgenland und zeigen damit, welches Potential in diesem Planungsmittel steckt.
Das Burgenland ist ja bekanntlich vielerorts flach und zum Teil – vor allem im Mittel- und Südburgenland – auch hügelig. Die größte Stadt unter den 171 Städten und Gemeinden ist die Landeshauptstadt Eisenstadt mit rund 16.000 Einwohner:innen. Es gibt viele kleine und sehr kleine Gemeinden. Es gibt keine dicht bevölkerte Region. Die Distanzen zwischen den Gemeinden, Orten und Städten sind daher relativ hoch. Viele Burgenländer:innen legen auf ihrem Weg zur Arbeit große Distanzen zurück, trotzdem sind auch im Burgenland die Hälfte der Weg kürzer als 5 km. Der Motorisierungsgrad war 2023 mit 683 Pkw pro 1000 Einwohner:innen der höchste Wert aller Bundesländer Österreichs.
Der ländliche Güterweg neu gedacht
Das Straßen- und Wegenetz des Burgenlands ist, sowohl auf Einwohner:innen sowie auf Fläche bezogen, das mit großem Abstand längste Straßennetz aller Bundesländer (ausgenommen Wien). Der Versiegelungsgrad ist mit 4,4 Prozent der Landesfläche der dritthöchste aller Flächenbundesländer. Umso wichtiger ist es, bestehende Wege zu nutzen, statt neue zu bauen. Auf den allermeisten Straßen und Wegen außerorts beträgt die höchstzulässige Geschwindigkeit 70 oder gar 100 km/h, denkbar ungeeignet für Mischverkehr von Fußgänger:innen, Radfahrenden und Fahrzeugen. Viele der Verbindungswege zwischen den Ortschaften abseits von Landesstraßen sind befestigte oder unbefestigte Güterwege teils mit einem für den Alltagsradverkehr ungeeigneten Belag.
Die bestehenden Güterwege können von allen Fahrzeugen genutzt werden, sind also nicht für den Radverkehr optimiert. Die höchstzulässige Geschwindigkeit beträgt oft 100 km/h – wie auch auf vielen der asphaltierten und gut ausgebauten Landesstraßen im Freiland. Derzeit gibt es noch viele Abschnitte, wo der Radverkehr also bisher entweder auf Nebenwegen mit schlechtem Belag und hohen Tempolimits und zum Teil Umwegen im Mischverkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen oder auf Landesstraßen mit hohen gefahrenen Geschwindigkeiten im Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr stattfindet.
Die Entwicklungen im Verkehrssektor machen Maßnahmen zur Verlagerung auf den Umweltverbund und Steigerung des Radverkehrs durch attraktive Angebote notwendig. Dabei ist zusätzlich auch auf Aspekte der Versiegelung zu achten. Bei der Schaffung von Radnetzen ist es diesbezüglich von Vorteil, wenn nicht allzu frequentierte Routen von Radfahrenden und gelegentlichen landwirtschaftlichem Verkehr gemeinsam genutzt werden können.
Die Aufgaben der Errichtung kommunaler Infrastrukturen sowie deren Erhalt stellen viele Gemeinden vor große Herausforderungen, wovon der Straßenbau einen wesentlichen Teil einnimmt. So wurden in Österreich laut Gemeindebund 2020 ca. 1,3 Mrd Euro von Gemeinden für Straßenbau aufgewendet, was 154 Euro pro Einwohner:in entspricht. Besonders in dünn besiedelten Gebieten ist der Kostendruck enorm und es sind kosteneffiziente Lösungen mit Dauerhaftigkeit und Zusatznutzen gefragt. In Anbetracht der doch großen Herausforderungen und gleichzeitig begrenzten Möglichkeiten zeigt das Instrument der außerörtlichen Fahrradstraßen seine Stärken.
Ausbau des Radnetzes im Burgenland
Im Burgenland gibt es ca. 1.200 km von laut BMK als “Sicheres Radverkehrsnetz” verstandene Verbindungen jeglicher Funktion (darin enthalten: Tempo 30, Radwege, Geh-und Radwege, Fahrradstraßen, Wohnstraßen, usw.).
Seit 2021 gibt es im Burgenland ein Landes-Radzielnetz, das alle touristischen Radrouten, die überregionalen Alltagsradrouten sowie regionalen Radbasisnetze zusammenfasst. Seit dem Jahr 2022 wird vom Land Burgenland das sogenannte „Attraktivierungsprogramm für Radwege“ – die Rad-Ausbau-Offensive des Landes – umgesetzt. In dessen Rahmen werden pro Jahr rund 25 Projekte, teils Sanierungen von bestehender Infrastruktur und teils Neuerrichtungen gebaut.
Gesamtzielnetz Burgenland
Im Jahr 2023 wurde die erste Fahrradstraße im Burgenland verordnet. Es handelt sich dabei um die Alltagsradverbindung von Lackendorf nach Horitschon im Mittelburgenland. Parallel zur Landesstraße gab es abschnittsweise bestehende Güterwege, die zur Fahrradstraße ertüchtigt wurden. In den fehlenden Abschnitten wurde neue Infrastruktur errichtet. Die gesamte Strecke wurde als 3,5 m breite Fahrbahn ausgebaut und als Fahrradstraße verordnet. Es war auch ein Brückenbauwerk erforderlich, um den Lückenschluss in Lackenbach zu gewährleisten.
Typischer Querschnitt einer Fahrradstraße außerorts
Ablauf: “Der Weg zur Fahrradstraße” im Burgenland
Die bisher umgesetzten Fahrradstraßen im Burgenland sind alle Teil des Landes-Radnetzes. Das Land übernimmt in Kooperation mit den Gemeinden die Projektentwicklung, Förderabwicklung, Planung und den Bau. Nach Fertigstellung geht die Radinfrastruktur in die Erhaltungspflicht der Gemeinde über. Die Verordnung der Fahrradstraße selbst erfolgt durch die jeweilige Gemeinde. Danach erfolgt eine Verordnungsprüfung durch die Bezirkshauptmannschaft und darauf folgend die Kundmachung vor Ort durch die entsprechenden Verkehrszeichen “Fahrradstraße” und etwaige Zusatztafeln.
Eine an der Errichtung einer Fahrradstraße interessierte Gemeinde kann sich zur Abklärung der Möglichkeiten an die Mobilitätszentrale Burgenland unter office@b-mobil.info wenden, die mit Informationen unterstützt.
Hohe Eignung von Fahrradstraßen für den ländlichen Raum
Das Instrument der Fahrradstraße bietet gegenüber einem Güterweg viele Vorteile für Gebietskörperschaften wie auch für die Nutzer:innen. So gilt eine maximale Geschwindigkeit von 30 km/h und Radfahrende dürfen jedenfalls nebeneinander fahren. Wichtig ist aber auch, dass die Infrastruktur für den landwirtschaftlichen Verkehr nutzbar ist, denn sie erfüllen die wichtige Erschließungsfunktion für Liegenschaften & landwirtschaftliche Flächen.
Hinweis: Bei Geh-und Radwegen kann zwar außerorts gemäß § 8a StVO die Nutzung durch “landwirtschaftliche Fahrzeuge” erlaubt werden. Allerdings fallen Pkws, die von Grundeigentümern genutzt werden, um zu deren Flächen zu gelangen (“landwirtschaftlicher Verkehr”), nicht unter den Begriff “landwirtschaftliche Fahrzeuge” im eigentlichen Sinn (Traktoren, Mähdrescher usw.). Somit wären viele Grundstücke nicht mehr legal mit dem Kfz erreichbar, was teilweise Geh- und Radwege nicht in Frage kommen lässt.
Daher ist in solchen Fällen die außerörtliche Fahrradstraße die perfekte Option, um
- sichere und attraktive Rahmenbedingungen für Radfahrende zu schaffen,
- gleichzeitig den Grundbesitzer:innen weiterhin die Benutzung des Weges zu ermöglichen,
- die Errichtung zusätzlicher getrennter Wege zu vermeiden, indem bestehende Infrastrukturen durch Radfahrende und Landwirt:innen gleichermaßen nutzbar sind und
- Radnetze mit Unterstützung der klimaaktiv-Bundesförderung umsetzen zu können (Fahrradstraßen sind förderfähig, allgemeine Güterwege nicht).
Nachteil der Fahrradstraße gegenüber einem gemischten “Geh- und Radweg” ist, dass Fußgehende am Fahrbahnrand gehen müssen, was die Attraktivität für den Fußverkehr etwas einschränkt. Die Frequenzen aller Nutzer:innen inklusive Fußgänger:innen auf den burgenländischen Fahrradstraßen liegen derzeit und absehbar in einem verträglichen Ausmaß, sodass in Anbetracht der komfortablen Wegebreite keine besonderen Nutzungskonflikte erwartet werden.
Auch in den Niederlanden sind Fahrradstraßen außerorts ein bewährtes Instrument zur Herstellung von Hauptradrouten zwischen Ortschaften und Städten. Mithilfe von Verkehrsfiltern und verkehrsorganisatorischer Maßnahmen wie Zufahrtsbeschränkungen, Einbahnregelungen und Tempo-Limits wird der motorisierte Verkehr auf ein verträgliches Maß reduziert. Diese effektive Kfz-Verkehrsberuhigung ist neben der eigentlichen Straßengestaltung selbst die entscheidende Maßnahme, damit gemischt genutzte Flächen fahrradfreundlich werden.
Fahrradstraße in den Niederlanden
Bald bereits 12 Fahrradstraßen im Burgenland
Fahrradstraße in Pöttelsdorf (Burgenland)
Nachdem im Zuge der Verordnung und Umsetzung der ersten Fahrradstraße im Burgenland 2023 alle rechtlichen und organisatorischen Fragen geklärt werden konnten, sind inzwischen drei Fahrradstraßen umgesetzt und neun weitere in Bau bzw. vor Verordnung/Fertigstellung. In Summe wird es in absehbarer Zeit 12 Fahrradstraßen mit in Summe ca. 14,6 Kilometer Länge auf 10 Hauptradrouten im Burgenland geben. Die Besonderheit: All diese Fahrradstraßen befinden sich außerhalb des Ortsgebietes und dienen damit der Verbindung von Ortschaften und Gemeinden.
Projekte – umgesetzt
- Lackendorf-Neckenmarkt-Horitschon (2,2 km)
- Steinberg (1 km)
- Kirchfidisch-Güttenbach-Punitz (1,6 km)
Mehr Infos dazu unter: https://www.b-mobil.info/de/fahrrad/news/detail/fahrradstrassen-im-burgenland
Die erste burgenländische Fahrradstraße in Lackendorf
Projekte – in Umsetzung
- Kobersdorf-Weppersdorf-Lindgraben (2,1 km, 2 Abschnitte)
- Großhöflein – Müllendorf (1,75 km, 2 Abschnitte)
- Strebersdorf – Frankenau (0,5 km)
- Lutzmannsburg (0,3 km)
- Raiding (2,2 km)
- Großpetersdorf-Kleinpetersdorf (0,7 km)
- Kukmirn-Eisenhüttl (2,3 km)
Miteinander und Bewusstsein
Die Anlageart der Fahrradstraße und die dort geltenden Verhaltensregeln sind zwar seit 2013 gesetzlich festgelegt, aber vielen Bürger:innen noch nicht geläufig. Da die Fahrradstraße und deren Verkehrsqualität jedoch auch vom richtigen Verhalten abhängig ist, ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten.
Von der Radlobby wird seit 2013 unter www.radlobby.at/recht ein bebilderter Rechtsratgeber zum kostenlosen Download als PDF angeboten und laufend für kommunale Informationskampagnen geworben.
Bei neueröffneten Fahrradstraßen bietet sich die Veröffentlichung im Gemeindeblatt ebenso an wie die Aufstellung von großflächigen Plakaten an den Einfahrten in die Fahrradstraße. Um die Regeln für die Benutzung von Fahrradstraßen allen Nutzer:innen im Burgenland klar zu machen und für ein Miteinander zu werben, ist für das Jahr 2025 von der Mobilitätszentrale Burgenland eine Offensive in der Bewusstseinsbildung geplant. Bestandteile werden unter anderem erklärende Artikel, digitale Sujets und für Gemeinden ausleihbare Bauzaun-Plakate sein. Informationen dazu folgen auf www.b-mobil.info
Rückblick: Erste Fahrradstraßen in Österreichs Bundesländern seit 2013
2013: Erste Fahrradstraße Österreichs in Wien (Kuchelauer Hafenstraße) https://www.fahrradwien.at/news/fahrradstrasse-kuchelau-wurde-verlaengert/
2013: Erste Fahrradstraße in Vorarlberg, in Hard
https://mobilitaetsprojekte.vcoe.at/fahrradstrasse-hard-1-fahrradstrasse-vorarlbergs
2013: Erste Fahrradstraße in Kärnten, in Klagenfurt https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/4092539/Klagenfurt_Eigene-Strasse-fuer-Radler
2013: Erste Fahrradstraße in Tirol, in Reutte https://www.meinbezirk.at/reutte/c-lokales/koenigweg-soll-radlern-gehoeren_a593974
2014: Erste Fahrradstraße in Salzburg, in der Stadt Salzburg https://www.salzburg24.at/news/salzburg/stadt/erste-fahrradstrasse-in-der-stadt-salzburg-45864601
2018: Erste Fahrradstraße in der Steiermark, in Bad Radkersburg https://www.facebook.com/ARGUS.Steiermark/videos/1994033150669976/
2020: Erste Fahrradstraßen in Niederösterreich, in St. Pölten
https://www.radlobby.org/noe/st-poelten-erste-fahrradstrassen-in-niederoesterreich/
2022: Erste Fahrradstraße in Oberösterreich, in Wels
https://www.radmodellregion.at/erste-fahrradstrasse-oberoesterreichs-kommt-in-der-radmodellregion-wels-umland/
2023: Erste Fahrradstraße im Burgenland, in Lackendorf-Horitschon-Neckenmarkt
https://www.burgenland.at/news-detail/30-kilometer-radinfrastruktur-errichtet/
Eine jährlich aktualisierte Übersicht über die Länge der Fahrradstraßen pro Bundesland finden Sie in der Analyse “Sicheres Radverkehrsnetz” des Bundesministeriums: https://mobilitydata.gv.at/daten/sicheres-radverkehrsnetz-und-bikeride-erreichbarkeitsklassen
Abbildungen und Text: Christine Zopf-Renner (Mobilitätszentrale Burgenland) und Roland Romano (Radlobby Österreich)
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Neben der bisher dominierenden Verwendung von Fahrradstraßen im urbanen Kontext eröffnen sich im ländlichen Raum ganz neue Anwendungsfelder zur Schaffung attraktiver Radverkehrsnetze. Anfang 2024 gab es etwa 80 Kilometer dieser Straßen in den Bundesländern. Unsere Radkompetenz-Mitglieder Mobilitätszentrale Burgenland und Radlobby geben einen Einblick in das Instrument ländlicher Fahrradstraßen am Beispiel Burgenland und zeigen damit, welches Potential in diesem Planungsmittel steckt.
Das Burgenland ist ja bekanntlich vielerorts flach und zum Teil – vor allem im Mittel- und Südburgenland – auch hügelig. Die größte Stadt unter den 171 Städten und Gemeinden ist die Landeshauptstadt Eisenstadt mit rund 16.000 Einwohner:innen. Es gibt viele kleine und sehr kleine Gemeinden. Es gibt keine dicht bevölkerte Region. Die Distanzen zwischen den Gemeinden, Orten und Städten sind daher relativ hoch. Viele Burgenländer:innen legen auf ihrem Weg zur Arbeit große Distanzen zurück, trotzdem sind auch im Burgenland die Hälfte der Weg kürzer als 5 km. Der Motorisierungsgrad war 2023 mit 683 Pkw pro 1000 Einwohner:innen der höchste Wert aller Bundesländer Österreichs.
Der ländliche Güterweg neu gedacht
Das Straßen- und Wegenetz des Burgenlands ist, sowohl auf Einwohner:innen sowie auf Fläche bezogen, das mit großem Abstand längste Straßennetz aller Bundesländer (ausgenommen Wien). Der Versiegelungsgrad ist mit 4,4 Prozent der Landesfläche der dritthöchste aller Flächenbundesländer. Umso wichtiger ist es, bestehende Wege zu nutzen, statt neue zu bauen. Auf den allermeisten Straßen und Wegen außerorts beträgt die höchstzulässige Geschwindigkeit 70 oder gar 100 km/h, denkbar ungeeignet für Mischverkehr von Fußgänger:innen, Radfahrenden und Fahrzeugen. Viele der Verbindungswege zwischen den Ortschaften abseits von Landesstraßen sind befestigte oder unbefestigte Güterwege teils mit einem für den Alltagsradverkehr ungeeigneten Belag.
Die bestehenden Güterwege können von allen Fahrzeugen genutzt werden, sind also nicht für den Radverkehr optimiert. Die höchstzulässige Geschwindigkeit beträgt oft 100 km/h – wie auch auf vielen der asphaltierten und gut ausgebauten Landesstraßen im Freiland. Derzeit gibt es noch viele Abschnitte, wo der Radverkehr also bisher entweder auf Nebenwegen mit schlechtem Belag und hohen Tempolimits und zum Teil Umwegen im Mischverkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen oder auf Landesstraßen mit hohen gefahrenen Geschwindigkeiten im Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr stattfindet.
Die Entwicklungen im Verkehrssektor machen Maßnahmen zur Verlagerung auf den Umweltverbund und Steigerung des Radverkehrs durch attraktive Angebote notwendig. Dabei ist zusätzlich auch auf Aspekte der Versiegelung zu achten. Bei der Schaffung von Radnetzen ist es diesbezüglich von Vorteil, wenn nicht allzu frequentierte Routen von Radfahrenden und gelegentlichen landwirtschaftlichem Verkehr gemeinsam genutzt werden können.
Die Aufgaben der Errichtung kommunaler Infrastrukturen sowie deren Erhalt stellen viele Gemeinden vor große Herausforderungen, wovon der Straßenbau einen wesentlichen Teil einnimmt. So wurden in Österreich laut Gemeindebund 2020 ca. 1,3 Mrd Euro von Gemeinden für Straßenbau aufgewendet, was 154 Euro pro Einwohner:in entspricht. Besonders in dünn besiedelten Gebieten ist der Kostendruck enorm und es sind kosteneffiziente Lösungen mit Dauerhaftigkeit und Zusatznutzen gefragt. In Anbetracht der doch großen Herausforderungen und gleichzeitig begrenzten Möglichkeiten zeigt das Instrument der außerörtlichen Fahrradstraßen seine Stärken.
Ausbau des Radnetzes im Burgenland
Im Burgenland gibt es ca. 1.200 km von laut BMK als “Sicheres Radverkehrsnetz” verstandene Verbindungen jeglicher Funktion (darin enthalten: Tempo 30, Radwege, Geh-und Radwege, Fahrradstraßen, Wohnstraßen, usw.).
Seit 2021 gibt es im Burgenland ein Landes-Radzielnetz, das alle touristischen Radrouten, die überregionalen Alltagsradrouten sowie regionalen Radbasisnetze zusammenfasst. Seit dem Jahr 2022 wird vom Land Burgenland das sogenannte „Attraktivierungsprogramm für Radwege“ – die Rad-Ausbau-Offensive des Landes – umgesetzt. In dessen Rahmen werden pro Jahr rund 25 Projekte, teils Sanierungen von bestehender Infrastruktur und teils Neuerrichtungen gebaut.
Gesamtzielnetz Burgenland
Im Jahr 2023 wurde die erste Fahrradstraße im Burgenland verordnet. Es handelt sich dabei um die Alltagsradverbindung von Lackendorf nach Horitschon im Mittelburgenland. Parallel zur Landesstraße gab es abschnittsweise bestehende Güterwege, die zur Fahrradstraße ertüchtigt wurden. In den fehlenden Abschnitten wurde neue Infrastruktur errichtet. Die gesamte Strecke wurde als 3,5 m breite Fahrbahn ausgebaut und als Fahrradstraße verordnet. Es war auch ein Brückenbauwerk erforderlich, um den Lückenschluss in Lackenbach zu gewährleisten.
Typischer Querschnitt einer Fahrradstraße außerorts
Ablauf: “Der Weg zur Fahrradstraße” im Burgenland
Die bisher umgesetzten Fahrradstraßen im Burgenland sind alle Teil des Landes-Radnetzes. Das Land übernimmt in Kooperation mit den Gemeinden die Projektentwicklung, Förderabwicklung, Planung und den Bau. Nach Fertigstellung geht die Radinfrastruktur in die Erhaltungspflicht der Gemeinde über. Die Verordnung der Fahrradstraße selbst erfolgt durch die jeweilige Gemeinde. Danach erfolgt eine Verordnungsprüfung durch die Bezirkshauptmannschaft und darauf folgend die Kundmachung vor Ort durch die entsprechenden Verkehrszeichen “Fahrradstraße” und etwaige Zusatztafeln.
Eine an der Errichtung einer Fahrradstraße interessierte Gemeinde kann sich zur Abklärung der Möglichkeiten an die Mobilitätszentrale Burgenland unter office@b-mobil.info wenden, die mit Informationen unterstützt.
Hohe Eignung von Fahrradstraßen für den ländlichen Raum
Das Instrument der Fahrradstraße bietet gegenüber einem Güterweg viele Vorteile für Gebietskörperschaften wie auch für die Nutzer:innen. So gilt eine maximale Geschwindigkeit von 30 km/h und Radfahrende dürfen jedenfalls nebeneinander fahren. Wichtig ist aber auch, dass die Infrastruktur für den landwirtschaftlichen Verkehr nutzbar ist, denn sie erfüllen die wichtige Erschließungsfunktion für Liegenschaften & landwirtschaftliche Flächen.
Hinweis: Bei Geh-und Radwegen kann zwar außerorts gemäß § 8a StVO die Nutzung durch “landwirtschaftliche Fahrzeuge” erlaubt werden. Allerdings fallen Pkws, die von Grundeigentümern genutzt werden, um zu deren Flächen zu gelangen (“landwirtschaftlicher Verkehr”), nicht unter den Begriff “landwirtschaftliche Fahrzeuge” im eigentlichen Sinn (Traktoren, Mähdrescher usw.). Somit wären viele Grundstücke nicht mehr legal mit dem Kfz erreichbar, was teilweise Geh- und Radwege nicht in Frage kommen lässt.
Daher ist in solchen Fällen die außerörtliche Fahrradstraße die perfekte Option, um
- sichere und attraktive Rahmenbedingungen für Radfahrende zu schaffen,
- gleichzeitig den Grundbesitzer:innen weiterhin die Benutzung des Weges zu ermöglichen,
- die Errichtung zusätzlicher getrennter Wege zu vermeiden, indem bestehende Infrastrukturen durch Radfahrende und Landwirt:innen gleichermaßen nutzbar sind und
- Radnetze mit Unterstützung der klimaaktiv-Bundesförderung umsetzen zu können (Fahrradstraßen sind förderfähig, allgemeine Güterwege nicht).
Nachteil der Fahrradstraße gegenüber einem gemischten “Geh- und Radweg” ist, dass Fußgehende am Fahrbahnrand gehen müssen, was die Attraktivität für den Fußverkehr etwas einschränkt. Die Frequenzen aller Nutzer:innen inklusive Fußgänger:innen auf den burgenländischen Fahrradstraßen liegen derzeit und absehbar in einem verträglichen Ausmaß, sodass in Anbetracht der komfortablen Wegebreite keine besonderen Nutzungskonflikte erwartet werden.
Auch in den Niederlanden sind Fahrradstraßen außerorts ein bewährtes Instrument zur Herstellung von Hauptradrouten zwischen Ortschaften und Städten. Mithilfe von Verkehrsfiltern und verkehrsorganisatorischer Maßnahmen wie Zufahrtsbeschränkungen, Einbahnregelungen und Tempo-Limits wird der motorisierte Verkehr auf ein verträgliches Maß reduziert. Diese effektive Kfz-Verkehrsberuhigung ist neben der eigentlichen Straßengestaltung selbst die entscheidende Maßnahme, damit gemischt genutzte Flächen fahrradfreundlich werden.
Fahrradstraße in den Niederlanden
Bald bereits 12 Fahrradstraßen im Burgenland
Fahrradstraße in Pöttelsdorf (Burgenland)
Nachdem im Zuge der Verordnung und Umsetzung der ersten Fahrradstraße im Burgenland 2023 alle rechtlichen und organisatorischen Fragen geklärt werden konnten, sind inzwischen drei Fahrradstraßen umgesetzt und neun weitere in Bau bzw. vor Verordnung/Fertigstellung. In Summe wird es in absehbarer Zeit 12 Fahrradstraßen mit in Summe ca. 14,6 Kilometer Länge auf 10 Hauptradrouten im Burgenland geben. Die Besonderheit: All diese Fahrradstraßen befinden sich außerhalb des Ortsgebietes und dienen damit der Verbindung von Ortschaften und Gemeinden.
Projekte – umgesetzt
- Lackendorf-Neckenmarkt-Horitschon (2,2 km)
- Steinberg (1 km)
- Kirchfidisch-Güttenbach-Punitz (1,6 km)
Mehr Infos dazu unter: https://www.b-mobil.info/de/fahrrad/news/detail/fahrradstrassen-im-burgenland
Die erste burgenländische Fahrradstraße in Lackendorf
Projekte – in Umsetzung
- Kobersdorf-Weppersdorf-Lindgraben (2,1 km, 2 Abschnitte)
- Großhöflein – Müllendorf (1,75 km, 2 Abschnitte)
- Strebersdorf – Frankenau (0,5 km)
- Lutzmannsburg (0,3 km)
- Raiding (2,2 km)
- Großpetersdorf-Kleinpetersdorf (0,7 km)
- Kukmirn-Eisenhüttl (2,3 km)
Miteinander und Bewusstsein
Die Anlageart der Fahrradstraße und die dort geltenden Verhaltensregeln sind zwar seit 2013 gesetzlich festgelegt, aber vielen Bürger:innen noch nicht geläufig. Da die Fahrradstraße und deren Verkehrsqualität jedoch auch vom richtigen Verhalten abhängig ist, ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten.
Von der Radlobby wird seit 2013 unter www.radlobby.at/recht ein bebilderter Rechtsratgeber zum kostenlosen Download als PDF angeboten und laufend für kommunale Informationskampagnen geworben.
Bei neueröffneten Fahrradstraßen bietet sich die Veröffentlichung im Gemeindeblatt ebenso an wie die Aufstellung von großflächigen Plakaten an den Einfahrten in die Fahrradstraße. Um die Regeln für die Benutzung von Fahrradstraßen allen Nutzer:innen im Burgenland klar zu machen und für ein Miteinander zu werben, ist für das Jahr 2025 von der Mobilitätszentrale Burgenland eine Offensive in der Bewusstseinsbildung geplant. Bestandteile werden unter anderem erklärende Artikel, digitale Sujets und für Gemeinden ausleihbare Bauzaun-Plakate sein. Informationen dazu folgen auf www.b-mobil.info
Rückblick: Erste Fahrradstraßen in Österreichs Bundesländern seit 2013
2013: Erste Fahrradstraße Österreichs in Wien (Kuchelauer Hafenstraße) https://www.fahrradwien.at/news/fahrradstrasse-kuchelau-wurde-verlaengert/
2013: Erste Fahrradstraße in Vorarlberg, in Hard
https://mobilitaetsprojekte.vcoe.at/fahrradstrasse-hard-1-fahrradstrasse-vorarlbergs
2013: Erste Fahrradstraße in Kärnten, in Klagenfurt https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/4092539/Klagenfurt_Eigene-Strasse-fuer-Radler
2013: Erste Fahrradstraße in Tirol, in Reutte https://www.meinbezirk.at/reutte/c-lokales/koenigweg-soll-radlern-gehoeren_a593974
2014: Erste Fahrradstraße in Salzburg, in der Stadt Salzburg https://www.salzburg24.at/news/salzburg/stadt/erste-fahrradstrasse-in-der-stadt-salzburg-45864601
2018: Erste Fahrradstraße in der Steiermark, in Bad Radkersburg https://www.facebook.com/ARGUS.Steiermark/videos/1994033150669976/
2020: Erste Fahrradstraßen in Niederösterreich, in St. Pölten
https://www.radlobby.org/noe/st-poelten-erste-fahrradstrassen-in-niederoesterreich/
2022: Erste Fahrradstraße in Oberösterreich, in Wels
https://www.radmodellregion.at/erste-fahrradstrasse-oberoesterreichs-kommt-in-der-radmodellregion-wels-umland/
2023: Erste Fahrradstraße im Burgenland, in Lackendorf-Horitschon-Neckenmarkt
https://www.burgenland.at/news-detail/30-kilometer-radinfrastruktur-errichtet/
Eine jährlich aktualisierte Übersicht über die Länge der Fahrradstraßen pro Bundesland finden Sie in der Analyse “Sicheres Radverkehrsnetz” des Bundesministeriums: https://mobilitydata.gv.at/daten/sicheres-radverkehrsnetz-und-bikeride-erreichbarkeitsklassen
Abbildungen und Text: Christine Zopf-Renner (Mobilitätszentrale Burgenland) und Roland Romano (Radlobby Österreich)
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- Förderoffensive des Bundes bringt Radwegausbau
- Niederösterreich investiert in Aktive Mobilität