Studie zur Verbesserung des Freizeitradverkehrs in Vorarlberg

Berge

Zum Auftakt der Sommerferien liegt das Thema Radtourismus nahe! Das Land Vorarlberg hatte bei Radkompetenz-Mitglied Rosinak & Partner eine Studie beauftragt, die das Verbesserungspotenzial für den  Freizeitradverkehrs im Ländle analysiert. Wir bringen einen Ausschnitt der Erkenntnisse: Vorarlberg ist im Alltagsradverkehr sehr gut unterwegs, hat profunde Strategien zum Thema Mountainbiken, aber noch Aufholbedarf im Radtourenbereich und Marketing.

Durch die Studie, die von Rosinak & Partner in Zusammenarbeit mit Estuar OG im Auftrag der Vorarlberg Tourismus GmbH und des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Straßenbau, durchgeführt wurde, wird der Status Quo des Freizeitradverkehrs in Vorarlberg in seiner Gesamtheit beleuchtet, im Fokus stehen also sowohl einheimische Freizeitradfahrende als auch Gäste. Dadurch wurde die bereits vorliegende Analyse zum Thema Mountainbiken ergänzt.

Ausgangslage, Landesrouten und Nutzungsverhalten

Laut Vorarlberg Tourismus ist das beschilderte Radwegenetz in Vorarlberg fast 300 Kilometer lang. Dazu kommen straßenbegleitende Radwege und viele grenzüberschreitende Routen, die nach Deutschland, in die Schweiz und bis ins Fürstentum Liechtenstein führen. Darunter der etwa insgesamt 270 Kilometer lange Bodensee-Radwanderweg. Um einen Einblick zu bekommen, wie dieses Routenangebot in Vorarlberg genutzt wird, zogen die Studienautor:innen die Routingdaten der beliebtesten Radtouren-App Komoot heran.

Dafür wurden insgesamt 1.289 Routen aus der Kategorie „Fahrrad“ und 1.112 Routen aus der Kategorie „Rennrad“ mit Startpunkt in Vorarlberg mit Hilfe eines GIS-Systems konvertiert und als Heatmap aufbereitet. Damit konnte die Häufigkeit der Nutzung bestimmter Strecken visualisiert werden:  je heller desto mehr aufgezeichnete Routen auf diesem Streckenabschnitt. Außerdem wurde über einen Vergleich mit dem Datensatz der Landesverwaltung eine Gegenüberstellung des beworbenen Angebots mit dem tatsächlich genutzten Angebot durchgeführt.

Heatmap

Heatmap der Fahrrad-Routen in Vorarlberg laut Komoot mit einem Datendownload vom 18.10.2021 aus der vorliegenden Studie

Die Heatmap zeigt, dass das Landesradroutennetz die Basis für viele Radrouten ist. Das Rheintal ist insgesamt stark in einem überraschend engmaschigen Netz im Freizeitradverkehr befahren. Weitere Häufungsstellen sind das Kleinwalsertal, der Bregenzerwald und Schruns. Der Bodensee-Radweg ist vergleichweise wenig befahren. Die grenzüberschreitenden Routen orientieren sich hauptsächlich in Richtung Schweiz und Liechtenstein, einzelne Routen sind auch nach Deutschland erkennbar. Die Grenze in Richtung Tirol ist jedoch äußerst wenig frequentiert. Für die grenzüberschreitende Angebotsentwicklung bedeutet das laut den Studienautor:innen, dass insbesondere in Richtung Westen bereits ein sehr attraktives Angebot vorhanden ist welches zwar genutzt, aber noch nicht vermarktet wird.

Die Rennrad-Routen zeigen ein ähnliches Bild wie jenes der Radrouten oben. Besonders über den Bregenzerwald ist die Vernetzung nach Deutschland ausgeprägter als für die Radrouten. Dies sei insbesondere auf die größeren Distanzen einer Rennradtour zurückzuführen.

Zielgruppendefinition für den Radtourismus abseits von Mountainbike

Die potenziellen Zielgruppen für den Freizeitradverkehr in Vorarlberg wurden in der Studie auf Basis der Ergebnisse qualitativer Interviews und einer Literatur- sowie Internet-Recherche definiert und mit Personas beschrieben, die exemplarisch für ein Zielgruppensegment stehen. Damit konnten wertvolle Hinweise für die zukünftige Produkt- und Angebotsentwicklung gegeben werden. Ziel der Interviews war es, Rückschlüsse für die zukünftige Angebotsgestaltung ziehen zu können.

Vier Zielgruppen im Freizeitbereich wurden definiert: Zielgruppe „Rennrad“, Zielgruppe „Familie“, Zielgruppe „Genuss 65+“ mit starkem E-Bike-Anteil und die neue Zielgruppe „Gravel/Retro“. Vorarlberg hat laut der Studie viel Potenzial für Gravel-Biker, da bereits eine abwechslungsreiche Infrastruktur auf Basis des offiziellen MTB-Wegenetzes mit Forst- und Güterwegen gegeben ist.

Was sagen die Radtourismus-Expert:innen?

Für die vorliegende Studie wurden acht Expert:innen aus dem Radverkehr und dem Radtourismus interviewt. Laut deren Kernaussagen liegt der Schwerpunkt in Vorarlberg auf dem Alltagsradverkehr, wie die hohen Radverkehsranteile belegen. Wie auch beim Alltagsradverkehr sind Qualitätskriterien für Freizeitradrouten notwendig. Es gibt großes Potenzial bei der Verknüpfung bestehender Routen durch Erschließung von Erholungs- und Naturräumen und durch Erlebnisrouten im städtisch geprägten Rheintal. Allerdings fehlen Lückenschlüsse vom Kleinwalsertal in den Allgäu, vom Bregenzerwald ins Rheintal und nach Tirol und eine stärkere Trennung von Radfahrer:innen und Kfz-Verkehr.

Radwege

Die Vielfalt touristisch genutzter Radinfrastruktur aus einem Überblick in der Studie.

Schlussfolgerungen für den Freizeitradverkehr in Vorarlberg

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich Vorarlberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Tirol, dem Burgenland oder Niederösterreich nicht als Radtourismus-Destination positioniert, es fehlt ein definitives Angebot und dessen zielgruppengerechte Kommunikation. Vorarlberg eignet sich aber gut für Sternradtouren oder für Rundreisen, die mit bestehenden Tourismusangeboten verknüpft werden können. Wesentlich dabei sei, dass die Verknüpfung von vorhandenem Regional-Typischem zu attraktiven Radangeboten gelingt.

Abseits des Landesstraßennetzes und der Mountainbike-Angebotes sollte Infrastruktur für den Freizeitradverkehr geschaffen werden, um Radfahren auf einem sicheren Netz zu ermöglichen. Das betrifft vor allem die Zielgruppen „Genussradler 65“ und Familien. Die Gravel-Zielgruppe findet in Vorarlberg durch bestehende Wander- und Mountainbikerouten ideale Voraussetzungen und bei Veranstaltungen wie „Into the Wold“ im Bregenzerwald neue Möglichkeiten.

Laut der Studie gäbe es jedoch kaum Radverleihangebote in den Regionen. Daher wird zu überlegen sein, ob ein flächendeckendes Verleihsystem ausgerollt werden kann, das mit dem gute Angebot im öffentlichen Verkehr verknüpft werden kann. Ein Beispiel eines bestehenden Angebots für fahrradaktive Tourist:innen besteht durch Radkompetenz-Mitglied Kaloveo in Fontanella im Biosphärenpark Großes Walsertal, wo über 25 abwechslungsreiche E-Bike und Mountainbike-Touren mit verschiedenen Schwierigkeitsraden zur Auswahl stehen.

Radbrücke

Im Marketing des Radtourismus bestünde laut den Experteninterviews Aufholbedarf. Die Zustündigkeiten im Land und grenzüberschreitende Koordination sollten verbessert werden, denn in Richtung Schweiz würde hohes Potenzial bestehen. Eine Ausrichtung auf klimaneutralen und klimaresiliente Freizeit- und Tourismusangebote sei angesichts der Klimawandelfolgen ein Gebot der Stunde. Vorgeschlagen wird eine Leit- und Koordinationsstelle im Freizeitradverkehr mit eigenem Budget und Aufgaben wie strategischer Gesamtroutenplanung, Priorisierung von Routen und Koordination der Kommunikationsmaßnahmen.

(Download der Studie wieder möglich sobald erneuerte Version vorliegt.)

Fotos: Benjamin Schlachter, Alex Kaiser, Stephan Schatz via Vorarlberg Tourismus und Martin Granadia via Bregenzerwald Tourismus

Veröffentlicht am: 20. Juni 2023Kategorien: Planung & Consulting

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Zum Auftakt der Sommerferien liegt das Thema Radtourismus nahe! Das Land Vorarlberg hatte bei Radkompetenz-Mitglied Rosinak & Partner eine Studie beauftragt, die das Verbesserungspotenzial für den  Freizeitradverkehrs im Ländle analysiert. Wir bringen einen Ausschnitt der Erkenntnisse: Vorarlberg ist im Alltagsradverkehr sehr gut unterwegs, hat profunde Strategien zum Thema Mountainbiken, aber noch Aufholbedarf im Radtourenbereich und Marketing.

Durch die Studie, die von Rosinak & Partner in Zusammenarbeit mit Estuar OG im Auftrag der Vorarlberg Tourismus GmbH und des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Straßenbau, durchgeführt wurde, wird der Status Quo des Freizeitradverkehrs in Vorarlberg in seiner Gesamtheit beleuchtet, im Fokus stehen also sowohl einheimische Freizeitradfahrende als auch Gäste. Dadurch wurde die bereits vorliegende Analyse zum Thema Mountainbiken ergänzt.

Ausgangslage, Landesrouten und Nutzungsverhalten

Laut Vorarlberg Tourismus ist das beschilderte Radwegenetz in Vorarlberg fast 300 Kilometer lang. Dazu kommen straßenbegleitende Radwege und viele grenzüberschreitende Routen, die nach Deutschland, in die Schweiz und bis ins Fürstentum Liechtenstein führen. Darunter der etwa insgesamt 270 Kilometer lange Bodensee-Radwanderweg. Um einen Einblick zu bekommen, wie dieses Routenangebot in Vorarlberg genutzt wird, zogen die Studienautor:innen die Routingdaten der beliebtesten Radtouren-App Komoot heran.

Dafür wurden insgesamt 1.289 Routen aus der Kategorie „Fahrrad“ und 1.112 Routen aus der Kategorie „Rennrad“ mit Startpunkt in Vorarlberg mit Hilfe eines GIS-Systems konvertiert und als Heatmap aufbereitet. Damit konnte die Häufigkeit der Nutzung bestimmter Strecken visualisiert werden:  je heller desto mehr aufgezeichnete Routen auf diesem Streckenabschnitt. Außerdem wurde über einen Vergleich mit dem Datensatz der Landesverwaltung eine Gegenüberstellung des beworbenen Angebots mit dem tatsächlich genutzten Angebot durchgeführt.

Heatmap

Heatmap der Fahrrad-Routen in Vorarlberg laut Komoot mit einem Datendownload vom 18.10.2021 aus der vorliegenden Studie

Die Heatmap zeigt, dass das Landesradroutennetz die Basis für viele Radrouten ist. Das Rheintal ist insgesamt stark in einem überraschend engmaschigen Netz im Freizeitradverkehr befahren. Weitere Häufungsstellen sind das Kleinwalsertal, der Bregenzerwald und Schruns. Der Bodensee-Radweg ist vergleichweise wenig befahren. Die grenzüberschreitenden Routen orientieren sich hauptsächlich in Richtung Schweiz und Liechtenstein, einzelne Routen sind auch nach Deutschland erkennbar. Die Grenze in Richtung Tirol ist jedoch äußerst wenig frequentiert. Für die grenzüberschreitende Angebotsentwicklung bedeutet das laut den Studienautor:innen, dass insbesondere in Richtung Westen bereits ein sehr attraktives Angebot vorhanden ist welches zwar genutzt, aber noch nicht vermarktet wird.

Die Rennrad-Routen zeigen ein ähnliches Bild wie jenes der Radrouten oben. Besonders über den Bregenzerwald ist die Vernetzung nach Deutschland ausgeprägter als für die Radrouten. Dies sei insbesondere auf die größeren Distanzen einer Rennradtour zurückzuführen.

Zielgruppendefinition für den Radtourismus abseits von Mountainbike

Die potenziellen Zielgruppen für den Freizeitradverkehr in Vorarlberg wurden in der Studie auf Basis der Ergebnisse qualitativer Interviews und einer Literatur- sowie Internet-Recherche definiert und mit Personas beschrieben, die exemplarisch für ein Zielgruppensegment stehen. Damit konnten wertvolle Hinweise für die zukünftige Produkt- und Angebotsentwicklung gegeben werden. Ziel der Interviews war es, Rückschlüsse für die zukünftige Angebotsgestaltung ziehen zu können.

Vier Zielgruppen im Freizeitbereich wurden definiert: Zielgruppe „Rennrad“, Zielgruppe „Familie“, Zielgruppe „Genuss 65+“ mit starkem E-Bike-Anteil und die neue Zielgruppe „Gravel/Retro“. Vorarlberg hat laut der Studie viel Potenzial für Gravel-Biker, da bereits eine abwechslungsreiche Infrastruktur auf Basis des offiziellen MTB-Wegenetzes mit Forst- und Güterwegen gegeben ist.

Was sagen die Radtourismus-Expert:innen?

Für die vorliegende Studie wurden acht Expert:innen aus dem Radverkehr und dem Radtourismus interviewt. Laut deren Kernaussagen liegt der Schwerpunkt in Vorarlberg auf dem Alltagsradverkehr, wie die hohen Radverkehsranteile belegen. Wie auch beim Alltagsradverkehr sind Qualitätskriterien für Freizeitradrouten notwendig. Es gibt großes Potenzial bei der Verknüpfung bestehender Routen durch Erschließung von Erholungs- und Naturräumen und durch Erlebnisrouten im städtisch geprägten Rheintal. Allerdings fehlen Lückenschlüsse vom Kleinwalsertal in den Allgäu, vom Bregenzerwald ins Rheintal und nach Tirol und eine stärkere Trennung von Radfahrer:innen und Kfz-Verkehr.

Radwege

Die Vielfalt touristisch genutzter Radinfrastruktur aus einem Überblick in der Studie.

Schlussfolgerungen für den Freizeitradverkehr in Vorarlberg

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich Vorarlberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Tirol, dem Burgenland oder Niederösterreich nicht als Radtourismus-Destination positioniert, es fehlt ein definitives Angebot und dessen zielgruppengerechte Kommunikation. Vorarlberg eignet sich aber gut für Sternradtouren oder für Rundreisen, die mit bestehenden Tourismusangeboten verknüpft werden können. Wesentlich dabei sei, dass die Verknüpfung von vorhandenem Regional-Typischem zu attraktiven Radangeboten gelingt.

Abseits des Landesstraßennetzes und der Mountainbike-Angebotes sollte Infrastruktur für den Freizeitradverkehr geschaffen werden, um Radfahren auf einem sicheren Netz zu ermöglichen. Das betrifft vor allem die Zielgruppen „Genussradler 65“ und Familien. Die Gravel-Zielgruppe findet in Vorarlberg durch bestehende Wander- und Mountainbikerouten ideale Voraussetzungen und bei Veranstaltungen wie „Into the Wold“ im Bregenzerwald neue Möglichkeiten.

Laut der Studie gäbe es jedoch kaum Radverleihangebote in den Regionen. Daher wird zu überlegen sein, ob ein flächendeckendes Verleihsystem ausgerollt werden kann, das mit dem gute Angebot im öffentlichen Verkehr verknüpft werden kann. Ein Beispiel eines bestehenden Angebots für fahrradaktive Tourist:innen besteht durch Radkompetenz-Mitglied Kaloveo in Fontanella im Biosphärenpark Großes Walsertal, wo über 25 abwechslungsreiche E-Bike und Mountainbike-Touren mit verschiedenen Schwierigkeitsraden zur Auswahl stehen.

Radbrücke

Im Marketing des Radtourismus bestünde laut den Experteninterviews Aufholbedarf. Die Zustündigkeiten im Land und grenzüberschreitende Koordination sollten verbessert werden, denn in Richtung Schweiz würde hohes Potenzial bestehen. Eine Ausrichtung auf klimaneutralen und klimaresiliente Freizeit- und Tourismusangebote sei angesichts der Klimawandelfolgen ein Gebot der Stunde. Vorgeschlagen wird eine Leit- und Koordinationsstelle im Freizeitradverkehr mit eigenem Budget und Aufgaben wie strategischer Gesamtroutenplanung, Priorisierung von Routen und Koordination der Kommunikationsmaßnahmen.

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