Next Generation Nachtzug: Radmitnahme im neuen Nightjet
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind für ihre führende Rolle im europäischen Nachtzugverkehr bekannt. Mit den neuen Nightjet-Garnituren, die ab Dezember in Betrieb gehen werden, wollen sie nun nach eigenen Worten ein Flaggschiff vom Stapel lassen. Wir haben mit Radkompetenz-Mitglied Radlobby Österreich in den ÖBB-Werkshallen die neu gestaltete Radmitnahme getestet. Was konnte im Vergleich zum Railjet verbessert werden? Unser Fazit fällt sehr positiv aus.
Ausgangslage Radmitnahme im Railjet
Die Radmitnahme in ÖBB-Railjet-Garnituren (Bild oben) ist bei Radreisenden und anderen Zuggästen gefürchtet. Grundsätzlich ist natürlich zu begrüßen, dass die Züge entsprechend den EU-Vorgaben mit Radmitnahme-Möglichkeiten nachgerüstet wurden. Das Verladen der Räder weist allerdings einige große Hürden auf: Stufen am Einstieg, enger Manövrierraum, zu knappes Hängen der Räder, enger verbleibender Durchgangsraum. Selbst für fitte Bikepacker eine Herausforderung, für ältere Menschen mit E-Bike alleine nicht zu schaffen. Es gibt also genug Erkenntnisse, die in das funktionelle Design der neuen Nightjets einfließen konnten. Und das taten sie.
Niederer Zugangsbereich mit Rampe
Den Radbereich betritt man durch die breite Tür zum barrierefreien Bereich für Rollstuhlfahrer:innen. Das macht sich durch Niederflur und viel Platz beim Einstieg bezahlt. Hinter der Eingangstür warten drei unvermeidliche Stufen, über die man ein leichtes Rad ebenso leicht heben kann. Oder man nimmt mit schweren E-Bikes die Schieberille zur linken Hand zur Hilfe. Gepäck kann dabei stören, sollte aber ohnehin abgeladen werden.
Die Position der Schieberille ist den Vorschriften zum Schutz von sehbehinderten Personen geschuldet. Damit die Rille nicht zur Stolperfalle wird, muss sie schmal und ganz am Rand platziert werden. Das bringt mit sich, dass das Rad in der Rille schräg geführt werden muss und die Pedalposition etwas Aufmerksamkeit braucht.
Dennoch konnten im Test nicht nur kräftige Personen ihre leichten Räder, sondern auch Menschen mit wenig Körperkraft ihr schweres E-Bike selbst verladen. Das wäre im Railjet ein Ding der Unmöglichkeit.
Anschrauben statt Aufhängen
Der Radmitnahmebereich ist als breites Multifunktionsabteil entlang der WC-Anlage ausgeführt. Sechs Fahrräder finden in drei Zweiergruppen stehend Platz und werden mit variabeln Befestigungsbügeln gesichert:
Gelenke mit Drehmechanismen dienen zum Adjustieren der Bügel und zur Befestigung am Fahrrad. Die einzige Schwachstelle zeigt sich bei der Diebstahlssicherung der Räder an diesen Bügeln. Dazu ist ein zu dünnes Kabel vorgesehen, durch das die Kund:innen ihre eigenen Schlösser fädeln können:
Breite Durchgangsbereiche und Gepäckablagen
Auch wenn zwei Räder nebeneinander geparkt werden, ist das Durchkommen für Fahrgäste oder das Vorbeischieben von weiteren Fahrrädern problemlos möglich, solange sie keine überbreiten Lenker aufweisen.
Die Gepäckfächer außerhalb der Schlafbereiche haben im Radlobby-Test gezeigt, dass sie groß genug sind, um Falträder aufzunehmen. Diese können über das Koffersicherungsseil geschützt werden, wozu die NFT-Karte des jeweiligen Fahrgasts den Zugriff reguliert.
Ausstattung der neuen Nightjets
Insgesamt 33 neue siebenteilige Nachtzüge wurden bestellt, die ersten sollen bereits ab 10. Dezember auf der Strecke nach Hamburg im Einsatz sein. Die siebenteiligen Nightjets bestehen aus je zwei Sitzwagen, drei Liegewagen und zwei Schlafwagen. Die Gesamtkapazität pro Garnitur beläuft sich auf 254 Plätze. Bei der Gestaltung hat die ÖBB sich das Ziel gesetzt, modernes Design mit noch mehr Komfort und Platz zu verbinden. Das trifft jedenfalls auf das barrierefreie Liegewagenabteil für bis zu zwei Rollstuhlfahrer:innen und Begleitpersonen und das barrierefreie WC zu. Auch die Schlafwagen und die „comfort plus“ Schlafwagen überzeugen, letztere als großzügiges Abteil für Zwei mit eigenem WC und Dusche.
Neuartige Schlafkapseln ersetzen die bisherigen klappbaren Liegen im Liegeabteil. Diese „Mini Cabins“ sind als Einzelschlafplätze im Liegewagen mit Ablagefläche, Klapptisch fürs Frühstück mit integriertem Spiegel, Kleiderhaken, Leselampe sowie direkt angrenzende Schließfächer für Handgepäck und Schuhe ausgeführt. Nettes Detail: am Kopfteil der Kabinen befindet sich ein wahlweise verschließbares Schiebefenster zur Nachbarkoje.
Damit wünschen wir gute Nacht im neuen Nightjet! Radreinsenden über 1.85m Körpergröße bleibt in der Mini Cabin noch diese Lösung.
Alle Fotos: Radkompetenz/Hager | Infos ÖBB zum neuen Nightjet
Mehr von den Radkompetenz-Mitgliedern in diesem Artikel:
Diesen Artikel teilen:
Next Generation Nachtzug: Radmitnahme im neuen Nightjet
Diesen Artikel teilen:
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind für ihre führende Rolle im europäischen Nachtzugverkehr bekannt. Mit den neuen Nightjet-Garnituren, die ab Dezember in Betrieb gehen werden, wollen sie nun nach eigenen Worten ein Flaggschiff vom Stapel lassen. Wir haben mit Radkompetenz-Mitglied Radlobby Österreich in den ÖBB-Werkshallen die neu gestaltete Radmitnahme getestet. Was konnte im Vergleich zum Railjet verbessert werden? Unser Fazit fällt sehr positiv aus.
Ausgangslage Radmitnahme im Railjet
Die Radmitnahme in ÖBB-Railjet-Garnituren (Bild oben) ist bei Radreisenden und anderen Zuggästen gefürchtet. Grundsätzlich ist natürlich zu begrüßen, dass die Züge entsprechend den EU-Vorgaben mit Radmitnahme-Möglichkeiten nachgerüstet wurden. Das Verladen der Räder weist allerdings einige große Hürden auf: Stufen am Einstieg, enger Manövrierraum, zu knappes Hängen der Räder, enger verbleibender Durchgangsraum. Selbst für fitte Bikepacker eine Herausforderung, für ältere Menschen mit E-Bike alleine nicht zu schaffen. Es gibt also genug Erkenntnisse, die in das funktionelle Design der neuen Nightjets einfließen konnten. Und das taten sie.
Niederer Zugangsbereich mit Rampe
Den Radbereich betritt man durch die breite Tür zum barrierefreien Bereich für Rollstuhlfahrer:innen. Das macht sich durch Niederflur und viel Platz beim Einstieg bezahlt. Hinter der Eingangstür warten drei unvermeidliche Stufen, über die man ein leichtes Rad ebenso leicht heben kann. Oder man nimmt mit schweren E-Bikes die Schieberille zur linken Hand zur Hilfe. Gepäck kann dabei stören, sollte aber ohnehin abgeladen werden.
Die Position der Schieberille ist den Vorschriften zum Schutz von sehbehinderten Personen geschuldet. Damit die Rille nicht zur Stolperfalle wird, muss sie schmal und ganz am Rand platziert werden. Das bringt mit sich, dass das Rad in der Rille schräg geführt werden muss und die Pedalposition etwas Aufmerksamkeit braucht.
Dennoch konnten im Test nicht nur kräftige Personen ihre leichten Räder, sondern auch Menschen mit wenig Körperkraft ihr schweres E-Bike selbst verladen. Das wäre im Railjet ein Ding der Unmöglichkeit.
Anschrauben statt Aufhängen
Der Radmitnahmebereich ist als breites Multifunktionsabteil entlang der WC-Anlage ausgeführt. Sechs Fahrräder finden in drei Zweiergruppen stehend Platz und werden mit variabeln Befestigungsbügeln gesichert:
Gelenke mit Drehmechanismen dienen zum Adjustieren der Bügel und zur Befestigung am Fahrrad. Die einzige Schwachstelle zeigt sich bei der Diebstahlssicherung der Räder an diesen Bügeln. Dazu ist ein zu dünnes Kabel vorgesehen, durch das die Kund:innen ihre eigenen Schlösser fädeln können:
Breite Durchgangsbereiche und Gepäckablagen
Auch wenn zwei Räder nebeneinander geparkt werden, ist das Durchkommen für Fahrgäste oder das Vorbeischieben von weiteren Fahrrädern problemlos möglich, solange sie keine überbreiten Lenker aufweisen.
Die Gepäckfächer außerhalb der Schlafbereiche haben im Radlobby-Test gezeigt, dass sie groß genug sind, um Falträder aufzunehmen. Diese können über das Koffersicherungsseil geschützt werden, wozu die NFT-Karte des jeweiligen Fahrgasts den Zugriff reguliert.
Ausstattung der neuen Nightjets
Insgesamt 33 neue siebenteilige Nachtzüge wurden bestellt, die ersten sollen bereits ab 10. Dezember auf der Strecke nach Hamburg im Einsatz sein. Die siebenteiligen Nightjets bestehen aus je zwei Sitzwagen, drei Liegewagen und zwei Schlafwagen. Die Gesamtkapazität pro Garnitur beläuft sich auf 254 Plätze. Bei der Gestaltung hat die ÖBB sich das Ziel gesetzt, modernes Design mit noch mehr Komfort und Platz zu verbinden. Das trifft jedenfalls auf das barrierefreie Liegewagenabteil für bis zu zwei Rollstuhlfahrer:innen und Begleitpersonen und das barrierefreie WC zu. Auch die Schlafwagen und die „comfort plus“ Schlafwagen überzeugen, letztere als großzügiges Abteil für Zwei mit eigenem WC und Dusche.
Neuartige Schlafkapseln ersetzen die bisherigen klappbaren Liegen im Liegeabteil. Diese „Mini Cabins“ sind als Einzelschlafplätze im Liegewagen mit Ablagefläche, Klapptisch fürs Frühstück mit integriertem Spiegel, Kleiderhaken, Leselampe sowie direkt angrenzende Schließfächer für Handgepäck und Schuhe ausgeführt. Nettes Detail: am Kopfteil der Kabinen befindet sich ein wahlweise verschließbares Schiebefenster zur Nachbarkoje.
Damit wünschen wir gute Nacht im neuen Nightjet! Radreinsenden über 1.85m Körpergröße bleibt in der Mini Cabin noch diese Lösung.
Alle Fotos: Radkompetenz/Hager | Infos ÖBB zum neuen Nightjet