Einsatzkriterien für den Grünpfeil: Wo geht Rechts bei Rot?

Rechts bei Rot

Seit der StVO-Novelle 2022 ist es auch in Österreich möglich, dem Radverkehr an ausgewählten Ampeln das Rechtsabbiegen oder auch Geradeausfahren bei Rot zu erlauben. Dies ist durch eine Zusatztafel mit Grünpfeil kundzumachen. Bislang wurden 29 solche Tafeln in Österreich angebracht, nun hat Wien eine Grünpfeil-Offensive mit 150 Ampeln angekündigt. Aber welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine solche Verordnung durch die zuständige Behörde möglich wird?

Die Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV) hat mit ihrem „Arbeitspapier Nr. 36 – Einsatzkriterien für die Zusatztafel mit Grünpfeil für den Fahrradverkehr“ als Teil der RVS Kriterien für den Einsatz dieser Zusatztafeln festgelegt. Darin wird einleitend festgehalten, dass die Freigabe des Rechtsabbiegens bei Rot für den Fahrradverkehr grundsätzlich gemäß § 38 Abs. 5a und 5b StVO möglich ist, wenn „sich der Fahrradverkehr in der Kreuzungsausfahrt am nächstgelegenen Fahrstreifen oder Radweg mit anderen Fahrzeugströmen verflicht“, nicht aber wenn er sie „kreuzt“, analog dazu das Geradeausfahrens bei Rot an T-Kreuzungen.

Die sogenannte „Rechts bei Rot“-Regelung ist in Frankreich, Belgien, Dänemark und der Schweiz sowie den Niederlanden schon länger gang und gäbe. Österreich hat 2022 die deutsche Regelung mit „Halt“-Vorschrift übernommen. Diese einfache, kostengünstige und sichere Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs steigert laut Technische Universität Wien die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Radverkehrs, reduziert natürlich Wartezeiten an Ampeln, fördert die Eigenverantwortung und minimiert Zeit im toten Winkel für Radler:innen, was einen enormen Sicherheitsgewinn bedeutet. Wir haben dazu schon zu internationalem Vergleich und Richtlinien in anderen Ländern berichtet.

Die neun Ausschlusskriterien

Wenn zumindest eine der im Arbeitspapier angeführten Ausschlusskriterien zutrifft, so ist die Freigabe des Rechtsabbiegens bei Rot für den Fahrradverkehr in der betreffenden Fahrrelation nicht möglich. Wir bringen hier eine kurze Beschreibung dieser Kriterien und beleuchten darunter spannende Aspekte aus deren Entstehung. Den genauen Wortlaut der Kriterien ist im Arbeitspapier Nr. 36 hier zum kostenlosen download im RVS Shop zu finden. Falls diese Ausschlusskriterien nicht zutreffen und die sonstigen Kriterien gut abgewogen wurden, steht einem Grünpfeil nichts mehr im Wege!

1) Maximal 50 km/h

Wenn  der Radverkehr nach dem Abbiegen in Mischverkehr übergeht, darf die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Ausfahrt nicht mehr als 50 km/h betragen, um zu große relative Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen Kfz- und Fahrradverkehr zu vermeiden.

2) Anfahrsichtweiten auf den herannahenden Fahrzeugverkehr

Wenn der Fahrradverkehr in der Ausfahrt im Mischprinzip geführt wird, dann orientiert sich die zumindest gegebene Anfahrsichtweite an der Geschwindigkeitsbegrenzung, sie beträgt z.B. bei 30 km/h Höchstgeschwindigkeit mindestens 35 m.  Falls der Fahrradverkehr in der Ausfahrt aber getrennt vom Kfz-Verkehr auf einem Radfahrstreifen, Radweg oder Geh- und Radweg geführt wird, ist eine Anfahrsichtweite von 30 m auf sich von links annähernde Radfahrer:innen sicherzustellen, wie die Abbildung 5 aus den Richtlinien zeigt:

Anfahrt

3) Sichtbeziehung zu Fußgänger:innen

Wenn die Aufstellflächen des querenden Fußgängerverkehrs vom Haltepunkt der sich annähernden Radfahrer:innen nicht überblickt werden können, ist der Grünpfeil nicht möglich. Eine Verbesserung der Situation kann aber durch eine vorgezogene Haltelinie für den Fahrradverkehr erzielt werden.

4) Sichtweite zur Ampel

Kreuzung Wenn sich die Ampel, die für den sich annähernden Fahrradverkehr Rot anzeigt, auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn befindet, dann darf sie nicht so weit entfernt sein, dass die dort montierte Zusatztafel nicht gut erkennbar ist. Wenn die Führung des Fahrradverkehrs nicht eindeutig ist oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein baulich getrennter Zweirichtungs-Radweg vorhanden ist, dann darf Rechts bei Rot nicht verordnet werden. Damit soll die Gefahr vermieden werden, dass eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Radfahranlage benutzt wird und dabei Kfz-Fahrtrichtungen gekreuzt werden, die gerade Grün haben.

5) Abstand zu Straßenbahnschienen

Wenn bei Mischverkehr auf dem Fahrstreifen, in den eingebogen werden soll, Gleise verlaufen, dann darf der Abstand zwischen dem Verkehrsraum der Straßenbahn und dem Fahrbahnrand nicht weniger als 1,50 m betragen. Bei zu geringem Abstand würden Radfahrer:innen laut FSV Gefahr laufen, in die Schienen zu geraten und zu stürzen.

Schienen und Radfahrerin

6) Zu viel Schwerverkehr

Wenn der Fahrradverkehr im Mischverkehr geführt wird, dann darf die Schwerverkehrsstärke in der Kreuzungszufahrt oder Kreuzungsausfahrt nicht mehr als durchschnittlich 50 LKW-ähnliche Fahrzeugen pro Stunde oder 500 pro Tag betragen. Ansonsten sind Erschwernisse beim Vorbeifahren, Behinderung der Sichtbeziehungen zum Fußgängerverkehr oder hohes Gefährdungspotential für die Radfahrenden zu erwarten.

7) Linksabbiegespur mit eigener Ampelphase

Wenn der rechts abbiegende Radverkehr im Mischprinzip geführt wird und der Linksabbiegeverkehr in der Gegenrichtung in einer eigenen Phase geführt ist, besteht zu hohes Gefährdungspotential bei den Verflechtungsvorgängen, da die Annäherung aus einer möglicherweise unerwarteten Richtung passiert.

8) Umfeld von Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen

Zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer:innen ist der Grünpfeil im Nahbereich von bis zu 60 m zum Haupteingang von Seniorenheimen, Blindenheimen, Krankenhäusern u.dgl. sowie von Schulen nicht zulässig. Auch an stark von Schüler:innen frequentierten Kreuzungen soll er nicht angebracht werden. Die Entfernungsangabe von 60m orientiert sich an den RVS Richtlinien 03.04.14 für Schulumfeld.

9) Hohe Unfallzahlen mit unerlaubtem Rechtsabbiegen bei Rot

Sollten an einer Kreuzung bereits Unfallhäufungen in Zusammenhang mit unerlaubtem Rechtsabbiegen bei Rot durch den Fahrradverkehr aufgetreten sein, dann würde der Grünpfeil dieses Verhalten, das nachweislich zu Unfällen geführt hat, legalisieren. Somit ist dessen Verordnung dort nicht zielfühfrend.

Sonstige Kriterien aus den Richtlinien

Das Arbeitspapier nennt weitere Kriterien, die sich ungünstig auf die Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit dem Rechtsabbiegen bei Rot für den Fahrradverkehr auswirken können. Diese sind im Einzelfall zu beurteilen.

  • Unterschreitung einer Fahrstreifenbreite von 3 m bei Mischverkehr mit Kfz in der Zufahrt. Günstiger für das Rechtsabbiegen bei Rot ist die Führung des Fahrradverkehrs über einen Radfahrstreifen oder Mehrzweckstreifen mit entsprechender Aufstellfläche.
  • Hohe Fahrradverkehrsstärken auf schmalen Radfahrstreifen ohne vorgezogene Haltelinie in der Zufahrt. Bei Rot haltepflichtige geradeausfahrende Radfahrende könnten bei Rot freigegebene rechts abbiegende Radfahrer behindern. Abhilfe ist durch größere Aufstellflächen für den Fahrradverkehr im Kreuzungsbereich möglich.
  • Hohe Radverkehrsstärken im Querverkehr auf einem Einrichtunsgradweg, da zu geringe Zeitlücken zum Einfädeln zu erwarten sind.
  • Hohe Radverkehrsstärken auf Zweirichtungs-Radwegen oder gemischten Geh- und Radwegen in der Ausfahrt, da es zu Konfliktsituationen mit von rechts kommenden Radfahrer:innen bzw. Fußgänger:innen kommen kann.
  • Starkes Gefälle bei Radfahranlagen in der Zufahrt
  • Steigung in der Kreuzungsausfahrt bei Mischverkehr
  • Hohe Kfz-Verkehrsstärken bei Mischverkehr in der Ausfahrt, da zu geringe Zeitlücken zum Einfädeln des Fahrradverkehrs zu erwarten seien. Das Kriterium ist aber nur dann als ungünstig zu werten, wenn hohe Kfz-Verkehrsstärken über den Großteil des Tages vorhanden sind.
  • Hohe Fußverkehrsstärken in der mit Grün signalisierten Querung der Zufahrt

Die Ausschlusskriterien und sonstigen Kriterien für Geradeaus bei Rot an T-Kreuzungen lauten sinngemäß analog dazu und sind ebenfalls in den RVS-Richtlinien des Arbeitspapiers Nr. 36 im RVS Shop nachzulesen.

Hintergrund der Kriterienentwicklung

Die Kriterien wurden in der Arbeitsgruppe „Stadtverkehr“ der FSV im Arbeitsausschuss „Nicht motorisierter Verkehr“ unter Leitung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit KfV und u.a. mit Beteiligung der Radkompetenz-Mitglieder Michael Skoric von con.sens mobilitätsdesign, Roland Romano von Radlobby Österreich und Felix Beyer als Mitarbeiter von Rosinak & Partner erstellt. Die Bearbeitungsphase wurde von Berechnungen an der TU Wien begleitet, in denen wichtige Beiträge zur Definition der Kriterien Anfahrsichtweiten, Sichtbeziehungen und Schulumfeld geleistet wurden.

Bezüglich letzterem wurde das Ziel verfolgt, die Prozentzahl der Ampeln in den größten Städten Österreichs zu eruieren, die von dem Kriterium des Schulumfelds betroffen wären. Die Pufferzonen wurden mit Umkreisradien von 300 m, 150 m und 60 m berechnet. Das Ergebnis bei 1.333 Ampeln in Wien:

  • Pufferzone 60 m: 80 Ampeln bzw. 6,0% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen
  • Pufferzone 150 m: 355 Ampeln bzw. 26,6% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen
  • Pufferzone 300 m: 900 Ampeln bzw. 67,5% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen

In Graz wären bei einer Pufferzone von 60 m 35 Ampeln bzw. 10,0% ausgeschlossen, in Salzburg bei gesamt 163 Ampeln wären 7 Stück bzw. 4,3% betroffen. Die zitierte Bachelorarbeit von David Pimperl ist in unserer Wissens-Datenbank zu finden.

Stand der Dinge

Die Radlobby Österreich hat den aktuellen Stand der umgesetzten Grünpfeil-Beschilderungen in Österreich im März 2023 erhoben. In sechs Bundesländern, nämlich Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten, dem Burgenland, Tirol und Vorarlberg hängt laut Radlobby-Recherchen noch kein einziger grüner Pfeil. Die Gemeinden Hohenems in Vorarlberg und Mödling in Niederösterreich haben jedoch einige in Planung. In Linz als aktivster Stadt hingen zum Zeitpunkt der Recherche bereits 15 Schilder an 13 Kreuzungen. Sieben weitere waren laut Magistrat Linz in Planung. In Wien, mit sieben Mal so viele Ampeln wie in Linz, wurden im Oktober 2022 zehn Grünpfeil-Tafeln an acht Kreuzungen angebracht. 150 Ampeln sollen im April 2023 folgen. An dritter Stelle liegt die Stadt Salzburg mit vier Grünpfeil-Schildern, darunter die erste Geradeaus-Variante.

rote Ampel

Der erste Grünpfeil in Österreich wurde in der Linzer Landstraße montiert.

Fotos: Stadt Wien, Bike Citizens, Stadt Linz.

 

 

Veröffentlicht am: 6. Oktober 2023Kategorien: Planung & Consulting

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Rechts bei Rot

Seit der StVO-Novelle 2022 ist es auch in Österreich möglich, dem Radverkehr an ausgewählten Ampeln das Rechtsabbiegen oder auch Geradeausfahren bei Rot zu erlauben. Dies ist durch eine Zusatztafel mit Grünpfeil kundzumachen. Bislang wurden 29 solche Tafeln in Österreich angebracht, nun hat Wien eine Grünpfeil-Offensive mit 150 Ampeln angekündigt. Aber welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine solche Verordnung durch die zuständige Behörde möglich wird?

Die Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV) hat mit ihrem „Arbeitspapier Nr. 36 – Einsatzkriterien für die Zusatztafel mit Grünpfeil für den Fahrradverkehr“ als Teil der RVS Kriterien für den Einsatz dieser Zusatztafeln festgelegt. Darin wird einleitend festgehalten, dass die Freigabe des Rechtsabbiegens bei Rot für den Fahrradverkehr grundsätzlich gemäß § 38 Abs. 5a und 5b StVO möglich ist, wenn „sich der Fahrradverkehr in der Kreuzungsausfahrt am nächstgelegenen Fahrstreifen oder Radweg mit anderen Fahrzeugströmen verflicht“, nicht aber wenn er sie „kreuzt“, analog dazu das Geradeausfahrens bei Rot an T-Kreuzungen.

Die sogenannte „Rechts bei Rot“-Regelung ist in Frankreich, Belgien, Dänemark und der Schweiz sowie den Niederlanden schon länger gang und gäbe. Österreich hat 2022 die deutsche Regelung mit „Halt“-Vorschrift übernommen. Diese einfache, kostengünstige und sichere Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs steigert laut Technische Universität Wien die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Radverkehrs, reduziert natürlich Wartezeiten an Ampeln, fördert die Eigenverantwortung und minimiert Zeit im toten Winkel für Radler:innen, was einen enormen Sicherheitsgewinn bedeutet. Wir haben dazu schon zu internationalem Vergleich und Richtlinien in anderen Ländern berichtet.

Die neun Ausschlusskriterien

Wenn zumindest eine der im Arbeitspapier angeführten Ausschlusskriterien zutrifft, so ist die Freigabe des Rechtsabbiegens bei Rot für den Fahrradverkehr in der betreffenden Fahrrelation nicht möglich. Wir bringen hier eine kurze Beschreibung dieser Kriterien und beleuchten darunter spannende Aspekte aus deren Entstehung. Den genauen Wortlaut der Kriterien ist im Arbeitspapier Nr. 36 hier zum kostenlosen download im RVS Shop zu finden. Falls diese Ausschlusskriterien nicht zutreffen und die sonstigen Kriterien gut abgewogen wurden, steht einem Grünpfeil nichts mehr im Wege!

1) Maximal 50 km/h

Wenn  der Radverkehr nach dem Abbiegen in Mischverkehr übergeht, darf die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Ausfahrt nicht mehr als 50 km/h betragen, um zu große relative Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen Kfz- und Fahrradverkehr zu vermeiden.

2) Anfahrsichtweiten auf den herannahenden Fahrzeugverkehr

Wenn der Fahrradverkehr in der Ausfahrt im Mischprinzip geführt wird, dann orientiert sich die zumindest gegebene Anfahrsichtweite an der Geschwindigkeitsbegrenzung, sie beträgt z.B. bei 30 km/h Höchstgeschwindigkeit mindestens 35 m.  Falls der Fahrradverkehr in der Ausfahrt aber getrennt vom Kfz-Verkehr auf einem Radfahrstreifen, Radweg oder Geh- und Radweg geführt wird, ist eine Anfahrsichtweite von 30 m auf sich von links annähernde Radfahrer:innen sicherzustellen, wie die Abbildung 5 aus den Richtlinien zeigt:

Anfahrt

3) Sichtbeziehung zu Fußgänger:innen

Wenn die Aufstellflächen des querenden Fußgängerverkehrs vom Haltepunkt der sich annähernden Radfahrer:innen nicht überblickt werden können, ist der Grünpfeil nicht möglich. Eine Verbesserung der Situation kann aber durch eine vorgezogene Haltelinie für den Fahrradverkehr erzielt werden.

4) Sichtweite zur Ampel

Kreuzung Wenn sich die Ampel, die für den sich annähernden Fahrradverkehr Rot anzeigt, auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn befindet, dann darf sie nicht so weit entfernt sein, dass die dort montierte Zusatztafel nicht gut erkennbar ist. Wenn die Führung des Fahrradverkehrs nicht eindeutig ist oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein baulich getrennter Zweirichtungs-Radweg vorhanden ist, dann darf Rechts bei Rot nicht verordnet werden. Damit soll die Gefahr vermieden werden, dass eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Radfahranlage benutzt wird und dabei Kfz-Fahrtrichtungen gekreuzt werden, die gerade Grün haben.

5) Abstand zu Straßenbahnschienen

Wenn bei Mischverkehr auf dem Fahrstreifen, in den eingebogen werden soll, Gleise verlaufen, dann darf der Abstand zwischen dem Verkehrsraum der Straßenbahn und dem Fahrbahnrand nicht weniger als 1,50 m betragen. Bei zu geringem Abstand würden Radfahrer:innen laut FSV Gefahr laufen, in die Schienen zu geraten und zu stürzen.

Schienen und Radfahrerin

6) Zu viel Schwerverkehr

Wenn der Fahrradverkehr im Mischverkehr geführt wird, dann darf die Schwerverkehrsstärke in der Kreuzungszufahrt oder Kreuzungsausfahrt nicht mehr als durchschnittlich 50 LKW-ähnliche Fahrzeugen pro Stunde oder 500 pro Tag betragen. Ansonsten sind Erschwernisse beim Vorbeifahren, Behinderung der Sichtbeziehungen zum Fußgängerverkehr oder hohes Gefährdungspotential für die Radfahrenden zu erwarten.

7) Linksabbiegespur mit eigener Ampelphase

Wenn der rechts abbiegende Radverkehr im Mischprinzip geführt wird und der Linksabbiegeverkehr in der Gegenrichtung in einer eigenen Phase geführt ist, besteht zu hohes Gefährdungspotential bei den Verflechtungsvorgängen, da die Annäherung aus einer möglicherweise unerwarteten Richtung passiert.

8) Umfeld von Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen

Zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer:innen ist der Grünpfeil im Nahbereich von bis zu 60 m zum Haupteingang von Seniorenheimen, Blindenheimen, Krankenhäusern u.dgl. sowie von Schulen nicht zulässig. Auch an stark von Schüler:innen frequentierten Kreuzungen soll er nicht angebracht werden. Die Entfernungsangabe von 60m orientiert sich an den RVS Richtlinien 03.04.14 für Schulumfeld.

9) Hohe Unfallzahlen mit unerlaubtem Rechtsabbiegen bei Rot

Sollten an einer Kreuzung bereits Unfallhäufungen in Zusammenhang mit unerlaubtem Rechtsabbiegen bei Rot durch den Fahrradverkehr aufgetreten sein, dann würde der Grünpfeil dieses Verhalten, das nachweislich zu Unfällen geführt hat, legalisieren. Somit ist dessen Verordnung dort nicht zielfühfrend.

Sonstige Kriterien aus den Richtlinien

Das Arbeitspapier nennt weitere Kriterien, die sich ungünstig auf die Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit dem Rechtsabbiegen bei Rot für den Fahrradverkehr auswirken können. Diese sind im Einzelfall zu beurteilen.

  • Unterschreitung einer Fahrstreifenbreite von 3 m bei Mischverkehr mit Kfz in der Zufahrt. Günstiger für das Rechtsabbiegen bei Rot ist die Führung des Fahrradverkehrs über einen Radfahrstreifen oder Mehrzweckstreifen mit entsprechender Aufstellfläche.
  • Hohe Fahrradverkehrsstärken auf schmalen Radfahrstreifen ohne vorgezogene Haltelinie in der Zufahrt. Bei Rot haltepflichtige geradeausfahrende Radfahrende könnten bei Rot freigegebene rechts abbiegende Radfahrer behindern. Abhilfe ist durch größere Aufstellflächen für den Fahrradverkehr im Kreuzungsbereich möglich.
  • Hohe Radverkehrsstärken im Querverkehr auf einem Einrichtunsgradweg, da zu geringe Zeitlücken zum Einfädeln zu erwarten sind.
  • Hohe Radverkehrsstärken auf Zweirichtungs-Radwegen oder gemischten Geh- und Radwegen in der Ausfahrt, da es zu Konfliktsituationen mit von rechts kommenden Radfahrer:innen bzw. Fußgänger:innen kommen kann.
  • Starkes Gefälle bei Radfahranlagen in der Zufahrt
  • Steigung in der Kreuzungsausfahrt bei Mischverkehr
  • Hohe Kfz-Verkehrsstärken bei Mischverkehr in der Ausfahrt, da zu geringe Zeitlücken zum Einfädeln des Fahrradverkehrs zu erwarten seien. Das Kriterium ist aber nur dann als ungünstig zu werten, wenn hohe Kfz-Verkehrsstärken über den Großteil des Tages vorhanden sind.
  • Hohe Fußverkehrsstärken in der mit Grün signalisierten Querung der Zufahrt

Die Ausschlusskriterien und sonstigen Kriterien für Geradeaus bei Rot an T-Kreuzungen lauten sinngemäß analog dazu und sind ebenfalls in den RVS-Richtlinien des Arbeitspapiers Nr. 36 im RVS Shop nachzulesen.

Hintergrund der Kriterienentwicklung

Die Kriterien wurden in der Arbeitsgruppe „Stadtverkehr“ der FSV im Arbeitsausschuss „Nicht motorisierter Verkehr“ unter Leitung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit KfV und u.a. mit Beteiligung der Radkompetenz-Mitglieder Michael Skoric von con.sens mobilitätsdesign, Roland Romano von Radlobby Österreich und Felix Beyer als Mitarbeiter von Rosinak & Partner erstellt. Die Bearbeitungsphase wurde von Berechnungen an der TU Wien begleitet, in denen wichtige Beiträge zur Definition der Kriterien Anfahrsichtweiten, Sichtbeziehungen und Schulumfeld geleistet wurden.

Bezüglich letzterem wurde das Ziel verfolgt, die Prozentzahl der Ampeln in den größten Städten Österreichs zu eruieren, die von dem Kriterium des Schulumfelds betroffen wären. Die Pufferzonen wurden mit Umkreisradien von 300 m, 150 m und 60 m berechnet. Das Ergebnis bei 1.333 Ampeln in Wien:

  • Pufferzone 60 m: 80 Ampeln bzw. 6,0% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen
  • Pufferzone 150 m: 355 Ampeln bzw. 26,6% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen
  • Pufferzone 300 m: 900 Ampeln bzw. 67,5% der gesamten Ampeln wären ausgeschlossen

In Graz wären bei einer Pufferzone von 60 m 35 Ampeln bzw. 10,0% ausgeschlossen, in Salzburg bei gesamt 163 Ampeln wären 7 Stück bzw. 4,3% betroffen. Die zitierte Bachelorarbeit von David Pimperl ist in unserer Wissens-Datenbank zu finden.

Stand der Dinge

Die Radlobby Österreich hat den aktuellen Stand der umgesetzten Grünpfeil-Beschilderungen in Österreich im März 2023 erhoben. In sechs Bundesländern, nämlich Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten, dem Burgenland, Tirol und Vorarlberg hängt laut Radlobby-Recherchen noch kein einziger grüner Pfeil. Die Gemeinden Hohenems in Vorarlberg und Mödling in Niederösterreich haben jedoch einige in Planung. In Linz als aktivster Stadt hingen zum Zeitpunkt der Recherche bereits 15 Schilder an 13 Kreuzungen. Sieben weitere waren laut Magistrat Linz in Planung. In Wien, mit sieben Mal so viele Ampeln wie in Linz, wurden im Oktober 2022 zehn Grünpfeil-Tafeln an acht Kreuzungen angebracht. 150 Ampeln sollen im April 2023 folgen. An dritter Stelle liegt die Stadt Salzburg mit vier Grünpfeil-Schildern, darunter die erste Geradeaus-Variante.

rote Ampel

Der erste Grünpfeil in Österreich wurde in der Linzer Landstraße montiert.

Fotos: Stadt Wien, Bike Citizens, Stadt Linz.

 

 

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