Debatte rund um E-Mopeds, Radwege und geeignete Infrastruktur

Auf urbanen Fahrradwegen sind längst nicht mehr nur klassische Fahrräder unterwegs. Stattdessen sieht man vermehrt eine Vielfalt an Transporträdern, Pedelecs, E-Rollern und zunehmend auch E-Mopeds. Diese Spielarten der Mikromobilität gelten in Österreich rechtlich als Fahrrad und stellen das Fassungsvermögen von Radinfrastruktur vor große Herausforderungen. Wir fassen eine ausführliche Ö1-Debatte zusammen, die sich um den Vorstoß der Wiener Stadtregierung drehte, sogenannte E-Mopeds vom Radweg zu verbannen, um das Sicherheitsgefühl auf Radwegen zu erhöhen. Radlobby Österreich und das Kuratorium für Verkehrssicherheit bezogen in der Radiosendung vom 5. September Position für eine differenziertere Herangehensweise.

Stadt Wien will neue Verkehrsaufteilung durchsetzen

Die Stadtregierung Wiens möchte eine gesetzliche Regelung finden, um das Sicherheitsgefühl auf den Radwegen angesichts der steigenden Zahl von E-Mopeds zu erhöhen. Grundlage dafür ist eine Untersuchung von Verkehrsplaner Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien zu Geschwindigkeit, Verkehrssicherheit und technischen Besonderheiten verschiedener Fahrzeuggattungen. Frey bestätigt: „Der Nutzungsdruck am Radweg steigt. Gerade E-Mopeds beeinträchtigen jedoch vor allem aufgrund ihres Gewichts bzw. ihrer Fahrdynamik das subjektive wie objektive Sicherheitsgefühl am Radweg massiv“. Ein durchschnittliches, kennzeichenloses E-Moped bringt 70 bis 80 kg Leergewicht auf die Waage, ein klassisches Mofa mit Verbrennungsmotor wiege nur 46 kg. „Unfälle werden dadurch gefährlicher“, so Frey hier im Artikel von Radkompetenz-Mitglied Fahrrad Wien.

Konkret möchte Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) bei der Bundesregierung eine rechtliche Unterscheidung zwischen Fahrrädern, E-Kleinstfahrzeugen (z.B. E-Scooter) und Kleinkrafträdern (z.B. E-Mopeds) erwirken. Für E-Kleinstfahrzeugen, welche auf Radfahranlagen unterwegs sind, soll die erlaubte Bauartgeschwindigkeit von 25 auf 20 km/h reduziert werden. Um diese Geschwindigkeiten überprüfen zu können, bedarf es neuen Prüf- und Messverfahren. Zudem sollen Fahrzeuge auf Radfahranlagen ein Leergewicht von 60 kg nicht überschreiten dürfen. Kleinkrafträder wie E-Mopeds sollen hingegen ganz vom Radweg ausgeschlossen werden. Durch diese Regelung wird sich eine Entlastung der Radwege erhofft. Vorbild könnte Deutschland sein, wo Elektro-Kleinstfahrzeuge wie E-Mopeds kennzeichenpflichtig auf der Fahrbahn fahren müssen. Dem liegt aber eine andere Rechtsdefinition von Fahrrad zu Grunde, denn in Deutschland müssen Fahrzeuge ausschließlich oder überwiegend mit Muskelkraft betrieben werden, um als Fahrrad oder Pedelec den Radweg befahren zu dürfen. Maximale Motorunterstützung bis 25 km/h gilt hier wie dort.

Debatte

Erwünschte Neuaufteilung der Mikromobilität durch die Stadt Wien, Grafik: Fahrrad Wien. Gerade die Gewichtsgrenze von 60 kg sorgt für Unmut, da damit auch manche E-Transporträder erfasst werden.

Gegenstimmen von Radlobby und Kuratorium für Verkehrssicherheit

In der Radiodebatte „E-Mopeds & Co: runter vom Radweg?“ vom 5. September auf  Ö1  nahmen Roland Romano, Sprecher von Radkompetenz-Mitglied Radlobby, und Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) zu diesen Themen Stellung. Die Radlobby sieht es als den falschen Ansatz, E-Mobilität dieser Art von den Radwegen zu verbannen. Stattdessen sollten die Radwege für alle Formen von muskel- und elektrisch betriebener Mikromobilität – einschließlich E-Mopeds – einen sicheren Raum bieten. Diese unterschiedlichen Formen von Mikromobilität seien bereits Teil des urbanen Alltags, und auch für E-Mopeds muss ein sicheres Fahrerlebnis gewährleistet werden. Ein Verdrängen dieser Fahrzeuge auf die Fahrbahn, wo sie sich den Raum mit dem schnelleren motorisierten Individualverkehr (MIV) teilen müssten, sei langfristig keine Lösung.

Klaus Robatsch, Leiter des Forschungsbereichs des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, unterstreicht in der Debatte ebenfalls die Notwendigkeit einer hochwertigen Radinfrastruktur. Ausreichend breite Radwege würden allen Verkehrsteilnehmenden ausreichend Platz bieten und zur Sicherheit beitragen, während zu schmale Radwege zu Konflikten und Unfällen führen.

Es braucht erhöhte Investitionen in die Radinfrastruktur , um die Radwege an die verschiedenen Arten von Fahrrädern anzupassen. Laut der Grundlagenstudie „Investitionsbedarf Radverkehr“ von Klimaschutzministerium und Bundesländern sind österreichweit rund 7 Milliarden Euro notwendig, um flächendeckend sichere und qualitativ hochwertige Radwege zu schaffen.

Bundesländer

Roland Romano betonte: „Es braucht in Zukunft viel mehr kleinere, leichtere, saubere und leise Fahrzeuge, und dazu zählen auch diese Elektroleichtfahrzeuge. Dafür braucht es systematische Lösungen, dass die, die Schutz brauchen, den Schutz auch haben und dass die Straßen allen zur Verfügung stehen bei ähnlichen Geschwindigkeiten, damit es sicherer für alle wird.“ Statt einer Diskussion um ein Verbot von E-Mopeds auf Radfahranlagen sollte eher über die Aufhebung der Radwegebenützungspflicht diskutiert werden. Mit genügend Investitionen in die Fahrradinfrastruktur wäre diese gut genug, um freiwillig benutzt zu werden.

Geteilte Straßen bei niedriger Geschwindigkeit

Die Entscheidung, ob verschiedene Verkehrsarten getrennt oder gemischt geführt werden, hängt davon ab, wie sicher der Verkehrsfluss dadurch organisiert werden kann. Grundlage dafür sind die RVS-Richtlinien für Radverkehr, die 2022 überarbeitet wurden. Wir haben die Neuerungen in diesem Artikel erklärt. Viel befahrene Radverkehrsanlagen, die diesen Richtlinien entsprechen, sind dem Befahren mit Transporträdern oder E-Mopeds gewachsen. Nach den Breitevorgaben der höchsten Ausbaustufen von Radwegen laut RVS kann ein Transportrad bzw. ein einspuriges Fahrrad ein anderes Transportrad überholen.

Radweg

Klaus Robatsch (KfV) sprach ergänzend die mangelnde Tempo-Disziplin von Kfz-Lenker:innen an: „Wesentlich in der Verkehrsplanung ist, dass man Verkehrsarten zusammenfügt, die ähnliche Geschwindigkeiten haben. Bei Tempo 30 könnte man gut im Mischverkehr fahren. Voraussetzung ist aber, dass Tempo 30 auch Tempo 30 ist. In Österreich wird in der dreißiger-Zone jedoch oft 40-45 km/h gefahren, und dann passen diese Geschwindigkeiten nicht mehr zusammen.“

Angesichts dieser Debatten und des Wandels der Verkehrsmittel wird klar, dass zukunftsfähige Verkehrsplanung verstärkt auf die Anpassung der Radinfrastruktur und generell der Modernisierung der Verkehrsflächen setzen muss, um der wachsenden Vielfalt an Mikromobilität gerecht zu werden. Breite und gut ausgebaute Radwege sind für eine Koexistenz verschiedener Fahrzeugtypen entscheidend. Wenn Electric Light Vehicles die Low Emission Zones einer klimaneutralen Stadt beliefern sollen und private Nahmobilität noch vielfältiger wird, werden klassische Verteilungsfragen bezüglich Verkehrsflächen von der Realität überholt.

Ö1 Gespräch mit Roland Romano (Radlobby) und Klaus Robatsch (Kuratorium für Verkehrssicherheit): „E-Mopeds“ & Co: runter vom Radweg?, 05.09. | Ö1 | ORF-Radiothek | ORF-Bericht April 2024

Quelle Headerbild: ORF Screenshot

Veröffentlicht am: 2. Oktober 2024Kategorien: Förderer & InitiativenSchlagwörter: , , ,

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Stadt Wien will neue Verkehrsaufteilung durchsetzen

Die Stadtregierung Wiens möchte eine gesetzliche Regelung finden, um das Sicherheitsgefühl auf den Radwegen angesichts der steigenden Zahl von E-Mopeds zu erhöhen. Grundlage dafür ist eine Untersuchung von Verkehrsplaner Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien zu Geschwindigkeit, Verkehrssicherheit und technischen Besonderheiten verschiedener Fahrzeuggattungen. Frey bestätigt: „Der Nutzungsdruck am Radweg steigt. Gerade E-Mopeds beeinträchtigen jedoch vor allem aufgrund ihres Gewichts bzw. ihrer Fahrdynamik das subjektive wie objektive Sicherheitsgefühl am Radweg massiv“. Ein durchschnittliches, kennzeichenloses E-Moped bringt 70 bis 80 kg Leergewicht auf die Waage, ein klassisches Mofa mit Verbrennungsmotor wiege nur 46 kg. „Unfälle werden dadurch gefährlicher“, so Frey hier im Artikel von Radkompetenz-Mitglied Fahrrad Wien.

Konkret möchte Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) bei der Bundesregierung eine rechtliche Unterscheidung zwischen Fahrrädern, E-Kleinstfahrzeugen (z.B. E-Scooter) und Kleinkrafträdern (z.B. E-Mopeds) erwirken. Für E-Kleinstfahrzeugen, welche auf Radfahranlagen unterwegs sind, soll die erlaubte Bauartgeschwindigkeit von 25 auf 20 km/h reduziert werden. Um diese Geschwindigkeiten überprüfen zu können, bedarf es neuen Prüf- und Messverfahren. Zudem sollen Fahrzeuge auf Radfahranlagen ein Leergewicht von 60 kg nicht überschreiten dürfen. Kleinkrafträder wie E-Mopeds sollen hingegen ganz vom Radweg ausgeschlossen werden. Durch diese Regelung wird sich eine Entlastung der Radwege erhofft. Vorbild könnte Deutschland sein, wo Elektro-Kleinstfahrzeuge wie E-Mopeds kennzeichenpflichtig auf der Fahrbahn fahren müssen. Dem liegt aber eine andere Rechtsdefinition von Fahrrad zu Grunde, denn in Deutschland müssen Fahrzeuge ausschließlich oder überwiegend mit Muskelkraft betrieben werden, um als Fahrrad oder Pedelec den Radweg befahren zu dürfen. Maximale Motorunterstützung bis 25 km/h gilt hier wie dort.

Debatte

Erwünschte Neuaufteilung der Mikromobilität durch die Stadt Wien, Grafik: Fahrrad Wien. Gerade die Gewichtsgrenze von 60 kg sorgt für Unmut, da damit auch manche E-Transporträder erfasst werden.

Gegenstimmen von Radlobby und Kuratorium für Verkehrssicherheit

In der Radiodebatte „E-Mopeds & Co: runter vom Radweg?“ vom 5. September auf  Ö1  nahmen Roland Romano, Sprecher von Radkompetenz-Mitglied Radlobby, und Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) zu diesen Themen Stellung. Die Radlobby sieht es als den falschen Ansatz, E-Mobilität dieser Art von den Radwegen zu verbannen. Stattdessen sollten die Radwege für alle Formen von muskel- und elektrisch betriebener Mikromobilität – einschließlich E-Mopeds – einen sicheren Raum bieten. Diese unterschiedlichen Formen von Mikromobilität seien bereits Teil des urbanen Alltags, und auch für E-Mopeds muss ein sicheres Fahrerlebnis gewährleistet werden. Ein Verdrängen dieser Fahrzeuge auf die Fahrbahn, wo sie sich den Raum mit dem schnelleren motorisierten Individualverkehr (MIV) teilen müssten, sei langfristig keine Lösung.

Klaus Robatsch, Leiter des Forschungsbereichs des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, unterstreicht in der Debatte ebenfalls die Notwendigkeit einer hochwertigen Radinfrastruktur. Ausreichend breite Radwege würden allen Verkehrsteilnehmenden ausreichend Platz bieten und zur Sicherheit beitragen, während zu schmale Radwege zu Konflikten und Unfällen führen.

Es braucht erhöhte Investitionen in die Radinfrastruktur , um die Radwege an die verschiedenen Arten von Fahrrädern anzupassen. Laut der Grundlagenstudie „Investitionsbedarf Radverkehr“ von Klimaschutzministerium und Bundesländern sind österreichweit rund 7 Milliarden Euro notwendig, um flächendeckend sichere und qualitativ hochwertige Radwege zu schaffen.

Bundesländer

Roland Romano betonte: „Es braucht in Zukunft viel mehr kleinere, leichtere, saubere und leise Fahrzeuge, und dazu zählen auch diese Elektroleichtfahrzeuge. Dafür braucht es systematische Lösungen, dass die, die Schutz brauchen, den Schutz auch haben und dass die Straßen allen zur Verfügung stehen bei ähnlichen Geschwindigkeiten, damit es sicherer für alle wird.“ Statt einer Diskussion um ein Verbot von E-Mopeds auf Radfahranlagen sollte eher über die Aufhebung der Radwegebenützungspflicht diskutiert werden. Mit genügend Investitionen in die Fahrradinfrastruktur wäre diese gut genug, um freiwillig benutzt zu werden.

Geteilte Straßen bei niedriger Geschwindigkeit

Die Entscheidung, ob verschiedene Verkehrsarten getrennt oder gemischt geführt werden, hängt davon ab, wie sicher der Verkehrsfluss dadurch organisiert werden kann. Grundlage dafür sind die RVS-Richtlinien für Radverkehr, die 2022 überarbeitet wurden. Wir haben die Neuerungen in diesem Artikel erklärt. Viel befahrene Radverkehrsanlagen, die diesen Richtlinien entsprechen, sind dem Befahren mit Transporträdern oder E-Mopeds gewachsen. Nach den Breitevorgaben der höchsten Ausbaustufen von Radwegen laut RVS kann ein Transportrad bzw. ein einspuriges Fahrrad ein anderes Transportrad überholen.

Radweg

Klaus Robatsch (KfV) sprach ergänzend die mangelnde Tempo-Disziplin von Kfz-Lenker:innen an: „Wesentlich in der Verkehrsplanung ist, dass man Verkehrsarten zusammenfügt, die ähnliche Geschwindigkeiten haben. Bei Tempo 30 könnte man gut im Mischverkehr fahren. Voraussetzung ist aber, dass Tempo 30 auch Tempo 30 ist. In Österreich wird in der dreißiger-Zone jedoch oft 40-45 km/h gefahren, und dann passen diese Geschwindigkeiten nicht mehr zusammen.“

Angesichts dieser Debatten und des Wandels der Verkehrsmittel wird klar, dass zukunftsfähige Verkehrsplanung verstärkt auf die Anpassung der Radinfrastruktur und generell der Modernisierung der Verkehrsflächen setzen muss, um der wachsenden Vielfalt an Mikromobilität gerecht zu werden. Breite und gut ausgebaute Radwege sind für eine Koexistenz verschiedener Fahrzeugtypen entscheidend. Wenn Electric Light Vehicles die Low Emission Zones einer klimaneutralen Stadt beliefern sollen und private Nahmobilität noch vielfältiger wird, werden klassische Verteilungsfragen bezüglich Verkehrsflächen von der Realität überholt.

Ö1 Gespräch mit Roland Romano (Radlobby) und Klaus Robatsch (Kuratorium für Verkehrssicherheit): „E-Mopeds“ & Co: runter vom Radweg?, 05.09. | Ö1 | ORF-Radiothek | ORF-Bericht April 2024

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