Radkompetenz in Berlin beim Parlamentarischen Abend
Beim Parlamentarischen Abend der deutschen Fahrradakademie war Radkompetenz aus Österreich die Hauptdarstellerin zum Thema „Radfahren im ländlichen Raum“. In der österreichischen Botschaft in Berlin versammelten sich ExpertInnen und Bundestagsabgeordnete zu Vortrag und Podiumsdiskussion. Allen voran Vorarlbergs Landesrat Johannes Rauch, Geschäftsführerin Andrea Weninger von Rosinak & Partner und Bundesradkoordinator Martin Eder.
Beim Parlamentarischen Abend der Fahrradakademie am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) trafen sich am 4. Juni 2019 in der Österreichischen Botschaft Berlin rund 70 Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Verbänden. Sie diskutierten über die Potenziale des Radverkehrs im ländlichen Raum sowie nötige Strategien und Einflussmöglichkeiten. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Österreichischen Botschaft Berlin statt und wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert und von der Radkompetenz Österreich inhaltlich bespielt. Durch den Abend führte Tilman Bracher, Fachbereichsleiter Mobilität des Deutschen Instituts für Urbanistik.
Dr. Peter Huber, Österreichischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland und Guido Zielke, Abteilungsleiter Straßenverkehr im BMVI, begrüßten die anwesenden Gäste. Dr. Huber freute sich über die gemeinsame Veranstaltung zum Radfahren im ländlichen Raum, da er die Idee eines gemeinsamen Austausches sehr wichtig findet, um zusammen schneller voran zu kommen.
Ländlicher Raum als Sorgenkind
Guido Zielke wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass das Fahrrad im ländlichen Raum in der Theorie häufig das beste Verkehrsmittel ist, die Praxis aber leider meist anders aussieht. Wie die aktuelle Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD) zeigt, hat der Anteil des Radverkehrs in ländlichen Gegenden gegen den Trend abgenommen. Insbesondere jüngere Menschen fahren hier immer weniger Fahrrad. Bei den älteren Personen haben die Zahlen hingegen dank der stärkeren Verbreitung von Pedelecs zugenommen. Der neue Nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung (NRVP), der gerade entwickelt wird, wird daher auch explizit eine Steigerung des Radverkehrsanteils im ländlichen Raum als Ziel haben.
Im ersten Impulsreferat „Radkompetenz Österreich: Erfolgreiche Radverkehrsstrategien für den ländlichen Raum“ berichtete Andrea Weninger, Geschäftsführerin des österreichischen Unternehmens Rosinak & Partner, von Ihren Erfahrungen aus dem Planungsalltag im ländlichen Raum. Hier gibt es oft keine Infrastruktur für den Radverkehr, aber sehr viele Flächen für den fließenden und ruhenden MIV. Dies hält viele Menschen vom Radfahren ab. Da allerdings zwischen 50 und 63 Prozent aller Wege in ländlichen Regionen unter 5 Kilometer lang sind, besteht hier ein enormes Verlagerungspotenzial hin zum Fahrrad. Die immer stärkere Verbreitung von Pedelecs unterstützt dieses Potenzial zusätzlich. Frau Weninger vertrat die Meinung, dass im ländlichen Raum eine positive Beharrlichkeit von Politik und Planenden sowie innovative und kreative Maßnahmen nötig sind, um den Radverkehr zu fördern.
Vorarlberg als Vorbild
Johannes Rauch, Verkehrslandesrat des Landes Vorarlberg, stellte im zweiten Impulsreferat „Kettenreaktion – 124 Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Vorarlberg“ die Aktivitäten zur Förderung des Radverkehrs des österreichischen Bundeslandes vor. Er wies darauf hin, dass für die Entwicklung des Radverkehrs eine Strategie nötig ist, bei deren Umsetzung die Gemeinden Partner sind und alle lokalen Akteure mit ins Boot geholt werden müssen. Rauch unterstrich, dass – insbesondere im ländlichen Raum – Radverkehr und ÖPNV zusammen gedacht werden müssen, um Erfolg zu haben. Wenn es für beide Verkehrsmittel ein gutes Angebot gäbe, würde die Nachfrage und Nutzung automatisch steigen. Zudem plädierte er dafür, den Radverkehr sowohl durch Infrastrukturmaßnahmen wie auch durch Veranstaltungen sichtbar zu machen.
Die europäische Perspektive
Im dritten Impulsreferat „Paneuropäische Partnerschaft für mehr Radverkehr“ stellte Martin Eder, Bundesradkoordinator des österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT), das europäische Projekt „THE PEP Partnership Cycling“ vor, in dem 26 Staaten involviert sind, um den Radverkehr gemeinsam zu entwickeln. Ziel ist es, den Radverkehrsanteil in der gesamten Region zu verdoppeln und in allen Staaten eine Steigerung zu erzielen. Herr Eder wies darauf hin, dass der Radverkehr auf 11 der 17 UN Sustainable Development Goals (SDGs) einen positiven Einfluss hat.
Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten
In der abschließenden Podiumsdiskussion stellte Moderator Tilman Bracher die zentrale Frage, warum die Entwicklung des Radverkehrs in den ländlichen Räumen in Deutschland in den letzten Jahren nur zögerlich voran kam und was getan werden kann, um dies positiv zu verändern.
Podiumsgast Mathias Stein MdB (SPD-Bundestagsfraktion) forderte, dass Fahrrad endlich aus der Hobbynische zu holen. Seiner Meinung nach würde in der Bundespolitik immer noch das Auto dominieren. Auch aus diesem Grund wurde der fraktionsübergreifende Parlamentskreis Fahrrad gegründet. Ziel ist es, das Rad als Alltagsverkehrsmittel zu fördern und zu etablieren.
Sybille Benning MdB (CDU/CSU-Bundestagsfraktion) wies darauf hin, dass auf dem Land die Vernetzung von Rad und ÖPNV gut funktionieren muss, um eine attraktive Verbindung zum MIV zu bieten.
Andreas Wagner MdB (Die Linke-Bundestagsfraktion) vertrat die Meinung, dass die Unterschiede zwischen Stadt und Land überhaupt nicht so groß sein. Wichtig wäre vielmehr, dass ein Umdenken in der Politik stattfindet. Erst wenn die Aufmerksamkeit auf ein Thema gelegt würde, würde auffallen, was alles fehlt.
Martin Eder erwähnte, dass im europäischen Kontext das Fahrrad insbesondere in den Städten ein enormes Potenzial habe, der ländliche Raum aber auch nicht unterschätzt werden darf. Insbesondere in peripheren Räumen besäße das Rad auch ein großes touristisches Potenzial. Darüber könnte man dann auch der lokalen Bevölkerung das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel näher bringen.
LR Johannes Rauch wies darauf hin, dass heutzutage auch in ländlichen Räumen urbane Lebensverhältnisse gepflegt werden. Daher sei eine Gleichberechtigung zwischen Stadt und Land unabdingbar. Er unterstrich, dass es aber zunächst ein sehr gutes ÖPNV-Angebot geben muss, und dass dann der Radverkehr gefördert werden sollte. Nur in der Kombination sind beide Verkehrsmittel auf dem Land konkurrenzfähig.
Andrea Weninger bemängelte, dass Papiere alleine nichts ändern. Um den Radverkehrsanteil wirklich zu steigern, besteht ein dringender Bedarf an guter Infrastruktur. Sie forderte dazu auf, beharrlich zu bleiben und weiter die Ziele zu verfolgen. Exkursionen für Entscheidungsträger in Good-Practice-Regionen könnten die Augen öffnen und ein Umdenken erzeugen.
Im anschließenden informellen Teil der Veranstaltung wurde in diversen Gesprächen deutlich, dass das Fahrrad ein enormes Potenzial hat, es aber Anstrengungen auf allen Ebenen benötigt, dieses auch wirklich auszuschöpfen.
Die Zusammenfassung stammt von nationaler-radverkehrsplan.de
Mehr von den Radkompetenz-Mitgliedern in diesem Artikel:
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Beim Parlamentarischen Abend der Fahrradakademie am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) trafen sich am 4. Juni 2019 in der Österreichischen Botschaft Berlin rund 70 Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Verbänden. Sie diskutierten über die Potenziale des Radverkehrs im ländlichen Raum sowie nötige Strategien und Einflussmöglichkeiten. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Österreichischen Botschaft Berlin statt und wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert und von der Radkompetenz Österreich inhaltlich bespielt. Durch den Abend führte Tilman Bracher, Fachbereichsleiter Mobilität des Deutschen Instituts für Urbanistik.
Dr. Peter Huber, Österreichischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland und Guido Zielke, Abteilungsleiter Straßenverkehr im BMVI, begrüßten die anwesenden Gäste. Dr. Huber freute sich über die gemeinsame Veranstaltung zum Radfahren im ländlichen Raum, da er die Idee eines gemeinsamen Austausches sehr wichtig findet, um zusammen schneller voran zu kommen.
Ländlicher Raum als Sorgenkind
Guido Zielke wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass das Fahrrad im ländlichen Raum in der Theorie häufig das beste Verkehrsmittel ist, die Praxis aber leider meist anders aussieht. Wie die aktuelle Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD) zeigt, hat der Anteil des Radverkehrs in ländlichen Gegenden gegen den Trend abgenommen. Insbesondere jüngere Menschen fahren hier immer weniger Fahrrad. Bei den älteren Personen haben die Zahlen hingegen dank der stärkeren Verbreitung von Pedelecs zugenommen. Der neue Nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung (NRVP), der gerade entwickelt wird, wird daher auch explizit eine Steigerung des Radverkehrsanteils im ländlichen Raum als Ziel haben.
Im ersten Impulsreferat „Radkompetenz Österreich: Erfolgreiche Radverkehrsstrategien für den ländlichen Raum“ berichtete Andrea Weninger, Geschäftsführerin des österreichischen Unternehmens Rosinak & Partner, von Ihren Erfahrungen aus dem Planungsalltag im ländlichen Raum. Hier gibt es oft keine Infrastruktur für den Radverkehr, aber sehr viele Flächen für den fließenden und ruhenden MIV. Dies hält viele Menschen vom Radfahren ab. Da allerdings zwischen 50 und 63 Prozent aller Wege in ländlichen Regionen unter 5 Kilometer lang sind, besteht hier ein enormes Verlagerungspotenzial hin zum Fahrrad. Die immer stärkere Verbreitung von Pedelecs unterstützt dieses Potenzial zusätzlich. Frau Weninger vertrat die Meinung, dass im ländlichen Raum eine positive Beharrlichkeit von Politik und Planenden sowie innovative und kreative Maßnahmen nötig sind, um den Radverkehr zu fördern.
Vorarlberg als Vorbild
Johannes Rauch, Verkehrslandesrat des Landes Vorarlberg, stellte im zweiten Impulsreferat „Kettenreaktion – 124 Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Vorarlberg“ die Aktivitäten zur Förderung des Radverkehrs des österreichischen Bundeslandes vor. Er wies darauf hin, dass für die Entwicklung des Radverkehrs eine Strategie nötig ist, bei deren Umsetzung die Gemeinden Partner sind und alle lokalen Akteure mit ins Boot geholt werden müssen. Rauch unterstrich, dass – insbesondere im ländlichen Raum – Radverkehr und ÖPNV zusammen gedacht werden müssen, um Erfolg zu haben. Wenn es für beide Verkehrsmittel ein gutes Angebot gäbe, würde die Nachfrage und Nutzung automatisch steigen. Zudem plädierte er dafür, den Radverkehr sowohl durch Infrastrukturmaßnahmen wie auch durch Veranstaltungen sichtbar zu machen.
Die europäische Perspektive
Im dritten Impulsreferat „Paneuropäische Partnerschaft für mehr Radverkehr“ stellte Martin Eder, Bundesradkoordinator des österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT), das europäische Projekt „THE PEP Partnership Cycling“ vor, in dem 26 Staaten involviert sind, um den Radverkehr gemeinsam zu entwickeln. Ziel ist es, den Radverkehrsanteil in der gesamten Region zu verdoppeln und in allen Staaten eine Steigerung zu erzielen. Herr Eder wies darauf hin, dass der Radverkehr auf 11 der 17 UN Sustainable Development Goals (SDGs) einen positiven Einfluss hat.
Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten
In der abschließenden Podiumsdiskussion stellte Moderator Tilman Bracher die zentrale Frage, warum die Entwicklung des Radverkehrs in den ländlichen Räumen in Deutschland in den letzten Jahren nur zögerlich voran kam und was getan werden kann, um dies positiv zu verändern.
Podiumsgast Mathias Stein MdB (SPD-Bundestagsfraktion) forderte, dass Fahrrad endlich aus der Hobbynische zu holen. Seiner Meinung nach würde in der Bundespolitik immer noch das Auto dominieren. Auch aus diesem Grund wurde der fraktionsübergreifende Parlamentskreis Fahrrad gegründet. Ziel ist es, das Rad als Alltagsverkehrsmittel zu fördern und zu etablieren.
Sybille Benning MdB (CDU/CSU-Bundestagsfraktion) wies darauf hin, dass auf dem Land die Vernetzung von Rad und ÖPNV gut funktionieren muss, um eine attraktive Verbindung zum MIV zu bieten.
Andreas Wagner MdB (Die Linke-Bundestagsfraktion) vertrat die Meinung, dass die Unterschiede zwischen Stadt und Land überhaupt nicht so groß sein. Wichtig wäre vielmehr, dass ein Umdenken in der Politik stattfindet. Erst wenn die Aufmerksamkeit auf ein Thema gelegt würde, würde auffallen, was alles fehlt.
Martin Eder erwähnte, dass im europäischen Kontext das Fahrrad insbesondere in den Städten ein enormes Potenzial habe, der ländliche Raum aber auch nicht unterschätzt werden darf. Insbesondere in peripheren Räumen besäße das Rad auch ein großes touristisches Potenzial. Darüber könnte man dann auch der lokalen Bevölkerung das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel näher bringen.
LR Johannes Rauch wies darauf hin, dass heutzutage auch in ländlichen Räumen urbane Lebensverhältnisse gepflegt werden. Daher sei eine Gleichberechtigung zwischen Stadt und Land unabdingbar. Er unterstrich, dass es aber zunächst ein sehr gutes ÖPNV-Angebot geben muss, und dass dann der Radverkehr gefördert werden sollte. Nur in der Kombination sind beide Verkehrsmittel auf dem Land konkurrenzfähig.
Andrea Weninger bemängelte, dass Papiere alleine nichts ändern. Um den Radverkehrsanteil wirklich zu steigern, besteht ein dringender Bedarf an guter Infrastruktur. Sie forderte dazu auf, beharrlich zu bleiben und weiter die Ziele zu verfolgen. Exkursionen für Entscheidungsträger in Good-Practice-Regionen könnten die Augen öffnen und ein Umdenken erzeugen.
Im anschließenden informellen Teil der Veranstaltung wurde in diversen Gesprächen deutlich, dass das Fahrrad ein enormes Potenzial hat, es aber Anstrengungen auf allen Ebenen benötigt, dieses auch wirklich auszuschöpfen.
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